| | | Esel beim Dreschen von Getreide in Bolivien |  |  |  |
| | | | Mit selbstgebautem Schilfboot am Titicacasee |  |  |  |
| Diese besondere Haltung Günter Wamsers seinen Tieren gegenüber kommt Ihnen vielleicht gar nicht so besonders vor, weil es Ihre eigene Haltung ist. Mir jedenfalls ist diese Sicht überhaupt nicht fremd. Dabei weiß ich sehr wohl, daß es sich dabei um etwas Ungewöhnliches, historisch Neues handelt. Da ich zu einer Zeit auf dem Lande aufgewachsen bin, als die Bauern noch überwiegend mit Pferden arbeiteten, weiß ich sehr wohl, daß diese zwar durchaus ein persönliches Verhältnis zu ihren Tieren hatten, das aber zugleich notwendigerweise sehr distanziert war.
So hatten nicht nur die Pferde, der Hund und die Katzen, auch die Kühe hatten Namen, die Schweine allerdings nicht. Trotzdem waren die Tiere eigentlich nur Mittel zum Zweck. Dem Bauern war beispielsweise jegliche Sentimentalität seinem Hund gegenüber vollkommen fremd. Der Hund mußte den Hof bewachen, die Katze Mäuse fangen, die Kühe Milch geben und die Pferde den Wagen und den Pflug ziehen.
Natürlich konnte sich der Bauer auf seine Pferde verlassen und er behandelte sie entsprechend, sprach mit ihnen und versorgte sie gut, aber genauso ging er später mit seinen Maschinen um. Ich weiß noch, wie schockiert ich vor etwa zehn Jahren war, als mir ein ehemaliger Bauer klarmachte, wie froh sie seinerzeit waren, als sie die Pferde abschaffen konnten: »Da brauchten wir nicht mehr hinter den Pferden herzulaufen!« Ja, so kann man die Sache auch sehen.
Erst durch das neue Phänomen der Pferdehaltung aus Liebhaberei, das heute die Situation prägt, ermöglicht durch den Wohlstand und den Freizeitgewinn im letzten Drittel des letzten Jahrhunderts, ergaben sich neue Entwicklungen. Völlig andere Menschen beschäftigten sich mit Pferden, Menschen wie Sie oder ich oder Günter Wamser, die sich nur deshalb mit Pferden beschäftigen, weil sie sie mögen, weil sie gern mit ihnen zusammen sind, weil sie gerne mit ihnen zu tun haben.
Die Sachzwänge im Verhältnis zwischen Mensch und Pferd sind entfallen. Die Pferde müssen im allgemeinen nicht mehr für ihre Existenz arbeiten, sie haben fast immer frei, und wenn sie nicht eingesperrt sind, können sich sich sogar recht natürlich entfalten. Damit ist aber zugleich ein ungeheurer Verlust zu beklagen. Hatte der Bauer noch den ganzen Tag mit seinen Pferden zu tun und deshalb ein intimes Verhältnis zu ihnen, sehen wir modernen Menschen unsere Pferde nur noch stundenweise und lernen sie deshalb auf gar nicht richtig kennen.
Wenn man mit seinen Pferden Tag und Nacht zusammen ist, wie das Günter Wamser über viele Jahre hinweg getan hat, bekommt man natürlich ein ganz anderes Verhältnis zu ihnen. Wer immer einen Wanderritt unternommen hat, und sei es auch nur für einen Tag oder eine Woche, hat diese intensive Änderung im Verhältnis zum Pferd selbst erfahren. In der letzten Woche habe ich von der unvergeßlichen Szene gesprochen, als der Wanderreiter zu Fuß mit seinem Hund an unserem Haus vorbeikam. Seither rätsele ich, ob er sein Pferd geführt hat. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube nicht. Höchstwahrscheinlich ist das Pferd frei neben ihm hergelaufen.
Auch das werden Sie vielleicht kennen. Als ich mein erstes Pferd kaufte, war ich sehr beeindruckt, daß die Stute auf dem Weg zur Reithalle frei neben dem Besitzer herlief. Inzwischen habe ich das natürlich nicht nur bei mir selbst, sondern auch bei vielen anderen schon gesehen. Diese Szene drückt die Verbundenheit des Pferdes mit dem Menschen sehr stark aus. Der Wanderreiter hat vermutlich ebenso wie der Bauer kein Aufhebens darum gemacht - und gerade deshalb ist dieses Verhalten so beeindruckend. Das ist in meinen Augen wirkliche Dominanz. Der Mensch ruht einfach nur in sich selbst und das Pferd akzeptiert ohne Mühe die Überlegenheit.
Mit dem Hund ist das natürlich genauso. Ich hatte das Buch noch nicht gelesen, da sprach ich mit Günter Wamser über meine Erfahrungen. Natürlich ist es unbefriedigend, den Hund daheimzulassen. Unterwegs ist es aber sehr schwierig und unangenehm, den Hund an der Leine zu haben. Trotzdem muß man auch vom Sattel aus die Kontrolle über den Hund behalten. In unseren Gegenden ist es so gut wie ausgeschlossen, daß man dem Verkehr immer vollständig ausweichen kann. Allein wenn es darum geht, eine Straße zu überqueren, müssen Pferd und Hund zuverlässig reagieren.
Und nun schaue man sich an, wie Hundebesitzer ohne Pferd von ihrem Hund durch die Gegend gezerrt werden. Für mich ist dieser Anblick ein Jammer. Natürlich kostet es Arbeit und Mühe und Anstrengung, einen Hund auszubilden, aber es lohnt sich. Sowohl der Hund als auch der Mensch können sich des Lebens mehr erfreuen, wenn sie sich aufeinander verlassen können. Dann braucht man auch keine Leine mehr, der Hund läuft auch so bei Fuß, wenn er soll, ob vom Boden oder vom Sattel aus. Freilich gibt es wohl Hunderassen, die damit überfordert sind, deren Jagdtrieb etwa so ausgeprägt ist, daß sie der Versuchung durch eine frische Fährte nicht widerstehen können. Mit solchen Hunden hatte ich es bisher glücklicherweise noch nicht zu tun.
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