Zu Beginn der Reise begegnet er zwei Weltreisenden, die sich gewissermaßen verrannt haben, die ihm ein warnendes Beispiel sind:
| Ich war in Argentinien mit einem Mietauto unterwegs auf der Suche nach Pferden. Auf der Nationalstraße Nr. 3, einer breiten Schotterpiste, auf einer kleinen Brücke, im Schutz der niedrigen Mauer, geduckt in sich zusammengekauert, saß ein Mensch, daneben lag ein Fahrrad. Ein Unfall? Ich stieg aus, lief auf den am Boden Hockenden zu.
»Wie geht's?« sprach ich ihn in einem Gemisch aus Spanisch und Englisch an. »Was ist passiert?«
»Scheiß Wind!« kommt es mir auf Deutsch entgegen. »Ich hab die Schnauze voll! Scheiß Wind! In Baja California bin ich fast verdurstet. In Kolumbien haben sie mich bis aufs Hemd ausgeraubt, aber das ist alles nichts im Vergleich zu diesem Scheiß Wind! Ich fahre keinen Meter mehr. Ich warte auf das nächste Fahrzeug, ich schmeiß das Fahrrad drauf. Scheiß Wind!«
Bernd aus Berlin war vor eineinhalb Jahren in Kalifornien mit einem Fahrrad losgefahren. In Mexiko hatte man seine komplette Ausrüstung gestohlen, in Kolumbien sein Fahrrad. Vor ihm lag nun ein Rad, das ihm ein deutscher Botschaftsangehöriger in Kolumbien geschenkt hatte und sein ganzes Hab und Gut in drei Plastiktüten.
»Magst du Wasser?«
»Verdammter Scheiß Wind!«
Ich versuchte ihn zu motivieren: »Du, bis nach Ushuaia sind es nur noch 100 Kilometer.«
»Ich fahre keinen Meter mehr. Scheiß Wind!«
Zwei Tage später, auf der gleichen schnurgeraden Schotterpiste, kam mir wieder etwas entgegen, ein Punkt in der kargen Landschaft. Was mochte das sein? Kein LKW, kein Fahrzeug, auch kein Rind. Ein Mensch! Und was bewegte sich da hinter ihm? Ein Handwagen - mein Gott, das mußte der Japaner sein!
In einem kleinen Hotel in Ushuaia hatte mir ein Reisender erzählt, ein Japaner, der einen kleinen Handwagen hinter sich herziehe, sei auf diesem Kontinent unterwegs. Er war in Venezuela aufgebrochen, sein Ziel: Ushuaia.
Ich stieg aus, ging auf den Japaner zu, um ihn zu begrüßen, um ihn zu beglückwünschen. Es trennten ihn lediglich noch drei Tage von seinem Ziel.
»Hallo! Guten Morgen, wie geht's? Hallo!«
Keine Kopfbewegung, nichts! Er nahm mich gar nicht wahr. Er lief an mir vorbei, als wäre ich gar nicht da. Es war nichts Menschliches an ihn zu erkennen. Ein kleiner, programmierte Roboter. Ausgelaugt, erschöpft, nur noch einen Schritt vor den nächsten setzend.
Ich mußte immer wieder an die beiden denken. Warum nimmt ein Mensch solche Strapazen auf sich, wenn ihm das, was er tut widerstrebt, wenn er nicht glücklich, nicht zufrieden dabei ist. Warum?
Plötzlich wurde ich aus meinem Gedanken gerissen. Ich hörte das Klingen einzelner, gespannter Drähte. Es vor mir durch Mark und Bein. Darauf der dumpfe Halle von Pferde rufen. Nein! Ich sprang aus dem Zelt. Rebelde galoppierte ausschlagen kann Zaun entlang von uns weg. Ich schaute ihm verärgert hinterher, zweifelte wieder. Seit fünf Wochen arbeitete ich mit Rebelde und fast genauso lang trug ich den Gedanken mit mir herum, ihn gegen ein anderes Pferd zu tauschen.
a.a.O., Seite 15-16 | | |
Er tat es nicht. Rebelde wurde ihm ein genauso unverzichtbarer Freund wie Gaucho. Freunde läßt man nicht hängen, wenn es Probleme gibt. An verschiedenen Stellen spricht Günter Wamser davon, daß er die Träume auslebt, die viele von uns haben. Das mag sein, aber es ist vermutlich nicht nötig, jahrelang auszusteigen, um seine Träume wahr werden zu lassen. Man kann sich durch einen Weltenbummler wie Günter Wamser gut anregen lassen, einmal kurzzeitig aus dem Alltagstrott auszusteigen und etwas Abenteuer zu wagen. War denn seine Wanderung durch Deutschland nicht ebenfalls aufregend und interessant? Hätte man die nicht auch mit dem Pferd machen können?
Fred Rai schwärmt davon, daß er ganz Deutschland zu Pferd durchquert hat - wenn ich es richtig verstanden habe, nicht an einem Stück, sondern in Etappen. Leider verrät er nicht, wie er es gemacht hat, aber damals war es vermutlich nicht so einfach wie heute. Inzwischen kann man den Grad der Abenteuerlichkeit hierzulande ziemlich genau bestimmen - wenn man so tut, als bewege man sich durch Südamerika, kann man auf jeglichen Komfort verzichten, man kann aber auch auf das Angebot der Wanderreitstationen zurückgreifen, die in vielen Bundesländern zur Verfügung stehen. Für mich wäre das schon Abenteuer genug. Das Verhältnis zum Pferd und zum Hund, falls man einen hat, wird sich auch durch solche vergleichsweise zahmen Unternehmungen auf jeden Fall grundlegend verändern, vertiefen, eine neue Qualität bekommen. Probieren Sie es aus!
Quellen / Verweise
Fotos
› Günter Wamser
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