Die Entwicklung einer Behinderung ist das anders kann entsetzlich tragisch, wenn der Körper nach und nach versagt, der Geist aber hellwach ist. Das berühmteste Beispiel für diesen Zustand ist der geniale Physiker » Stephen Hawking, der vermutlich an » amyotropher Lateralsklerose (ALS) leidet. Die Ursache dieser Krankheit ist unbekannt; allein in Deutschland sollen sage und schreibe 6000 Menschen daran erkrankt sein.
Der Maler » Jörg Immendorff, am 28. Mai 2007 gestorben, war daran erkrankt, der "Große Vorsitzende" » Mao Zedong soll daran erkrankt gewesen sein, und viele weitere mehr oder weniger Prominente. In den USA heißt diese Krankheit Lou Gehrig-Krankheit, weil der extrem erfolgreiche und entsprechend berühmte » Baseball-Spieler » Lou Gehrig auf dem Höhepunkt seiner Karriere daran erkrankte und kurze Zeit später auch daran starb.
ALS ist also ein weiterer Weg, sich mehr oder weniger schnell auf der anderen Seite wiederzufinden - und dies ist nur eine Krankheit von vielen, die einem gesunden Menschen in den Rollstuhl bringen können. Nichtbehinderte sollten sich also nicht allzu viel auf ihren Zustand einbilden - erstens kann dieser sich schnell ändern und zweitens wissen wir ohnehin nicht, wie sich unsere Mitmenschen, behindert oder nicht, fühlen. Zwar schließen wir gern von uns auf andere, aber das ist eigentlich unzulässig.
Man merkt das spätestens, wenn sich jemand umbringt, den man gut gekannt hat, aber nicht so gut, daß man so etwas für möglich gehalten hätte. Da geht einem auf, daß man ihn eigentlich überhaupt nicht kannte, daß man nicht wußte, wie er sich fühlte, insbesondere nicht, daß er so verzweifelt war und keinen anderen Ausweg wußte. Was weiß man schon über seinen Nächsten?
Das gilt auch für Kinder und geistig oder körperlich Behinderte. Wie fühlen die sich? Es gibt Menschen, die sich sehr weit in ihre Kindheit zurückerinnern können und berichten, daß sie ärgerlich darüber waren, sich nicht so gut ausdrücken zu können, wie sie es gerne getan hätten, und insbesondere wütend darüber, daß die Erwachsenen sie nicht ernstnahmen und nicht im Traum vermutet hätten, daß das Kind differenzierter hätte fühlen und denken können, als sie beobachten konnten.
Was wäre, wenn dieser Sachverhalt auch auf körperlich und geistig Behinderte zutrifft, die sich nicht gut ausdrücken können? Wenn auch in diesen Menschen eine Person wohnt, die uns ähnlich ist, ohne daß wir das erkennen können? Erleidet jemand zum Beispiel einen Schlaganfall und kann infolgedessen nicht mehr sprechen, achten wir diese Person trotzdem und werden uns hüten, in ihrer Gegenwart etwas zu sagen, das nicht für ihre Ohren bestimmt wäre. Es gibt Berichte darüber, daß Menschen in Narkose mit vollem Bewußtsein mitbekommen, was in ihrer Gegenwart besprochen wird. Es sind sogar angebliche Todesfälle bekannt, wo die betreffende Person doch wieder zum Leben erweckt wurde und genau wußte, was in der Zwischenzeit passiert ist und was gesprochen wurde.
Es besteht also gar kein Anlaß, jemanden weniger ernstzunehmen oder zu achten, nur weil er nicht im Vollbesitz seiner körperlichen oder geistigen Fähigkeiten ist und sich nicht äußern und mitteilen kann. Ein Grund mehr, alles zu unternehmen, um diesen Menschen das Schicksal auf jeder erdenklichen Art und Weise zu erleichtern. Wie würde man es finden, wenn all diesen Menschen, denen es aus diesen oder jenen Gründen schlecht geht, durch Pferdearbeit geholfen werden könnte? Müßte man diese Gelegenheit nicht sofort beim Schopf ergreifen?
Hannelore Brenner ist "nur" körperlich behindert, sie kann sich ausgezeichnet ausdrücken und hat ihr Leben voll im Griff. Ihr Motto lautet: "Behindert ist nur der, der sich selbst behindert." Obwohl ihre Behinderung dem Pferdesport zuzuschreiben ist, betreibt sie Pferdesport, sogar Leistungssport, speziell Behindertenreiten, also Dressur.
Daneben gibt es im Bereich des Leistungssports für Behinderte noch das Fahren, über das die Pferdezeitung mehrfach berichtet hat, und das Voltigieren. Für den Sport und Leistungssport für Behinderte ist das » Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. (DKThR) zuständig (» Sport und Freizeit für Menschen mit Behinderung mit dem Pferd).
Die anderen Bereiche dieses Vereins beschäftigen sich mit dem Einsatz des Pferdes in der Medizin (» Hippotherapie, » Ergotherapeutische Behandlung mit dem Pferd) und in der Pädagogik (» Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd) sowie mit der Ausbildung von Experten für die entsprechenden Tätigkeiten (» Weiterbildung: » Physiotherapeuten, » Pädagogen & Psychologen, » Ausbilder im Reiten als Sport für Behinderte, » Ergotherapeuten � Lizenz in der Ergotherapeutischen Behandlung mit dem Pferd).
In all diesen Bereichen ist in Deutschland, genauer gesagt: Westdeutschland Pionierarbeit geleistet worden. Natürlich ist auch schon in früheren Jahrhunderten aufgefallen, daß der Umgang mit dem Pferd angenehm ist und heilsam sein kann. Die eigentliche Geschichte der therapeutischen Arbeit mit dem Pferd beginnt aber erst vor etwas mehr als 50 Jahren:
| Nach dem 2. Weltkrieg begann ein Chefarzt in Bad Malente-Gremsmühlen mit Rehabilitationsmaßnahmen bei einseitig beinamputierten Patienten, deren gestörtes Gleichgewicht mit Hilfe des Pferdes wieder aufgebaut wurde. 1953 prägte der Arzt Max Reichenbach im oberfränkischen Birkenreuth den Begriff "Reiten als Therapie". Das gleichnamige Buch, das er mit Prof. Dr. H. Bünte und Prof. Dr. H. Beck herausgab, erschien 1973.
» Historie | | |
So lange hat es gedauert, bis die Sache in Gang kam. Drei Jahre vorher, 1970, wurde das DKThR als Verein unter dem Namen "Kuratorium für Therapeutisches Reiten" gegründet - die Umbenennung durch den Zusatz "Deutsches" wurde 1992 vorgenommen, nachdem diese Ideen im Ausland vielfältig aufgegriffen worden waren und diese Differenzierung angebracht schien.
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