Mähmaschine
Carl Larsson, Schweden Heuernte, Ausschnitt, Aquarell aus der Serie "Unser Hof", Ausschnitt Maße unbekannt, nach 1901 Abbildung aus Carl Larsson: Unser Hof, Hamburg 1977, Verlag Friedrich Oetinger
In der letzten Woche habe ich ein erstes Bild von Carl Larsson vorgestellt ( Lilla Hyttnäs), heute möchte ich das fortsetzen: Die Bilder sind einfach liebenswürdig und köstlich, es macht große Freude, die Augen darauf herumwandern zu lassen.
Auf diesem Blatt sieht man eine bäuerliche Maschine, wie ich sie noch in den 50er Jahren im Einsatz gesehen habe: das war der Stand der Technik. Wieviel hat sich in den letzten 50 Jahren geändert! Aus dem Arbeitsmittel, der "Maschine des Bauern", ist ein Freizeitpartner geworden. Die Blätter von Carl Larsson zeigen uns, daß sich in den 50 Jahren davor kaum etwas geändert hatte (außer in der Kriegstechnik).
Carl Larsson, 1853-1919, wurde in armseligen Verhältnissen in Stockholm geboren. Trotzdem gelang es ihm, an der Kunstakademie von Stockholm zu studieren; schon mit 16 Jahren erhielt er die erste Auszeichnung. Er arbeitete als Buchillustrator, lebte mehrere Jahre in Frankreich und lernte dort seine Frau Karin kennen. Dann wurde er Lehrer an einer Kunstschule in Göteborg, später lebte die Familie in Stockholm und verbrachte die Sommermonate in Sundborn, einem Dorf in Mittelschweden, wo Karin ein kleines Haus geerbt hatte. Ein paar Jahre darauf kaufte Carl Larsson einen benachbarten Bauernhof, den er selbst jedoch nicht bewirtschaftete. 1901 zog die Familie endgültig nach Sundborn, wo Larsson den Rest seines Lebens verbrachte. Mit den Bildern vom Haus und Hof errang er seinen größten Erfolg; die Buchveröffentlichung wurde wegweisend für die moderne schwedische Buchillustration.
Kommentar Von Werner Stürenburg
Auf dem Ausschnitt kann man gut erkennen, daß links oben am Rand ein weiteres Pferd im Einsatz ist. Es hat im Moment nichts zu tun und den Kopf gesenkt, um ein wenig zu knabbern.
Carl Larsson ist sehr penibel: Das Pferd im Vordergrund trägt seinen Schweif lang, das Pferd im Hintergrund hat den Schweif gestutzt, man sieht deutlich, daß die Haare glatt abgeschnitten sind.
Rechts oben ist vermutlich noch ein Pferd zu sehen mit seinem Pferdeführer, der hinterher geht. Dieses Blatt ist auch im Buch verkleinert, so daß vier Aquarelle auf eine Seite gehen. Daher ist diese Einzelheit dort ebenfalls nicht deutlich zu erkennen.
Auch der Scan ist etwas undeutlich, aber in der Vergrößerung wird klar, daß es sich um ein Pferd und einen Mann handelt. Der Mann schreitet aus, das Pferd ist aber nicht eindeutig in der Haltung zu identifizieren, die hier Sinn machen würde. Es sieht vielmehr so aus, als würde das Pferd in Richtung auf den Mann stehen und grasen. Auch das könnte eine realistische Situation sein.
Die Stimmung ist in allen Bildern durchgängig heiter und positiv, wenn auch durchaus deutlich wird, daß das Leben erarbeitet werden muß. Auf dem Lande gibt es viel zu tun, und viele dieser Tätigkeiten hat Carl Larsson in dieser Serie wunderbar festgehalten. Schauen Sie sich zum Beispiel nur einmal an, wie er die Spur der Räder im hohen Gras und die Schnittspur gemalt hat. Das ist einfach herrlich!
Maschinen
| | | | Dieses Modell war in ganz Europa verbreitet | | | |
| | | | | Das andere Pferd zieht den Rechen | | | |
| | | | | Die Dreschmaschine; Kaltblut auf dem Hof | | | |
| Als erfolgreicher Künstler war Carl Larsson offenbar in der Lage, Kapital in seine Anlage fließen zu lassen. Der Begleittext zum Blatt "Melken im Kuhstall" erwähnt, daß die Magd besonders stolz ist auf die rote gußeiserne Pumpe, wie man sie heute im Gartenbaumärkten wieder kaufen kann. Das war eine Errungenschaft, die die Nachbarn nicht besaßen. Die mußten ihr Wasser in Eimern vom Brunnen holen.
Der Begleittext beschreibt, daß die Mähmaschine gerade neu angeschafft worden ist und das Pferd sich noch nicht so recht an das Geräusch gewöhnt hat. Zwar legt es seine Ohren deutlich nach hinten, macht aber ansonsten einen sehr friedlichen Eindruck: Die Pferde hatten doch etwas anderen Nerven als die heutigen Freizeitpartner.
Der Knecht ist sehr stolz: Nun kann er die Arbeit alleine erledigen, und zwar im Sitzen, während vorher alle Nachbarn helfen mußten. Auf dem nächsten Blatt wird ein Sensenmann gezeigt, der das Getreide umlegt. Das Roggenfeld muß nämlich noch von Hand gemäht werden; die Arbeiter hoffen aber auf eine Maschine, die auch dieser Arbeit übernehmen kann.
Weitere Blätter zeigen eine Dreschmaschine und eine Maschine, die die Spreu vom Weizen trennt; der Text beschreibt die Freude der Menschen über die Arbeitserleichterung. Der Aufwand, der getrieben werden muß, bis aus dem Korn auf den Halm ein Brot geworden ist, kann heute kaum noch nachvollzogen werden. Im Prinzip könnte man alles in eine Maschine packen, die über den Acker fährt und die fertigen Brote hinten auswirft.
Im Nachbarort Löhne gibt es einen Verein mit Namen "Vom Korn zum Brot". Dieser Verein ist angesiedelt an einer Wassermühle und hat sich zum Ziel gesetzt, genau diesen langen Weg wieder nachvollziehbar zu machen. Dort verzichtet man auf moderne Maschinen und arbeitet etwa mit dem Standard, den Carl Larsson in seinen Bildern festgehalten hat.
In jeder Einzelheit sieht und spürt man, daß Carl Larsson dabei war, daß diese Szenen ganz gewöhnlich und alltäglich waren. Das allein aber erklärt nicht den besonderen Reiz dieser Blätter. Carl Larsson war ein Könner, der mit leichter Hand auch scheinbar unwesentliche Einzelheiten überzeugend ins Bild gesetzt hat. Es ist durchaus nachvollziehbar, daß er zu seiner Zeit so überragenden Erfolg gehabt hat.
Leider hat sich später der Geschmack in der Kunst gewandelt und Carl Larsson ist in Vergessenheit geraten. Ich fürchte, man wird ihn heute außer in lokalen schwedischen Museen kaum noch in der Öffentlichkeit finden. Die Kunsthistoriker werden ihn als Illustrator abtun.
Natürlich hat Carl Larsson illustriert, nämlich die Wirklichkeit. Aber seine Arbeiten gehen über Illustration weit hinaus, weil er sehr viel Liebe und Mitgefühl in diese Blätter gelegt hat. Man merkt, daß er diese Menschen, Tiere und Landschaften nicht nur genau beobachtet, sondern auch sehr geliebt hat. Das ist vielleicht das Bemerkenswerte an ihm: Daß er überhaupt geliebt hat.
Der Künstler
Der moderne Künstler liebt nicht mehr, er analysiert, er kritisiert, er deckt schonungslos auf, er überzeichnet, und zwar ins Negative hinein, je scheußlicher desto besser, und das wissen die Kunsthistoriker sehr zu schätzen. Der Künstler ist Gesellschaftskritiker geworden, Visionär, Erfinder einer eigenen Realität, die auf gar keinen Fall heiter und positiv sein darf.
Dann nämlich macht er sich verdächtig, er muß sich den Vorwurf gefallen lassen, eine heile Welt schildern zu wollen, er setzt sich dem Vorwurf des Kitschverdachts aus, er macht sich unmöglich. Wenn Tomi Ungerer nicht anders gearbeitet hätte als mit den Mitteln und Intentionen, die er beim Liederbuch verwendet hat, wäre er nicht so berühmt geworden (siehe Galeriebeitrag Petronella) - die ätzende Satire hat die sentimentaleren Arbeiten entschuldigt.
Carl Larsson war mit Sicherheit ein Fremdling unter den Bauern, ein Städter, der sich den Luxus eines Bauernhofs leistete. Mit Sicherheit hat er ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Leuten gehabt, er war aber bestimmt auch distanziert. Schon als Eigentümer fiel ihm diese Rolle zu, aber auch als Intellektueller, als Künstler, der eben nicht mit Schwielen an den Händen arbeitet, dessen Arbeit den anderen fremd ist, der in einer anderen Welt lebt, der andere Leute kennt, der von Leuten bezahlt wird, die noch unbegreiflicher sind.
Larsson aber versteht alles in der bäuerlichen Welt, obwohl er selber nicht vom Bauernhof stammt. Er hatte anscheinend eine große Seele, die sich in die anderen beliebig hineinversetzen konnte. Auf diesem Blatt schildert er, wie Elfström auf Anweisung von Johann eine Bretterwand rund um den Misthaufen baut, damit dieser nicht austrocknet.
Der Hahn protestiert und Elfström beruhigt ihn: Der redet doch tatsächlich mit dem Hahn wie zu seinesgleichen und nimmt ihn ernst. Währenddessen schaufelt Bäckström den Mist auf den Karren und die Stute Lisa stampft unruhig, denn der Krach der Säge ist ihr nicht geheuer. Bäckström muß immer wieder seine Arbeit unterbrechen und sie beruhigen. Das kann Bäckström sehr gut, denn er ist von Natur aus friedlich und geduldig.
Noch viel mehr Einzelheiten aus dem Leben und zur Natur seiner Leute erzählt Carl Larsson zu seinen Bildern; aus diesen aber wird viel deutlicher, was für Menschen das waren. Schauen Sie sich nur einmal die Figur des Elfström an! Man könnte aus dieser Rückenansicht eine ganze Geschichte ableiten, so viel wird über diesen Mann deutlich.
Oder nehmen Sie nur den kleinen Ausschnitt des Hinterteils der Stute: Wird hier nicht das Wesen des schweren Arbeitspferdes deutlich, das geduldig Tag für Tag dem Bauern dient, obwohl es so viel stärker ist und jederzeit aus der Knechtschaft entfliehen könnte. Das will es offenbar gar nicht, es geht ihm gut in der Symbiose mit dem Bauern, der wiederum nicht existieren könnte ohne die Hilfe des Pferdes.
So sind diese beiden Existenzen füreinander da und aufeinander angewiesen, der Bauer mehr auf das Pferd als das Pferd umgekehrt auf den Bauern. Die Arbeit wird nicht nur von den Pferden, sondern auch von der Menschen willig erledigt. Obwohl sie schwer ist, trägt jedoch ihre Befriedigung in sich selbst. Elfström fühlt sich gut in seiner Haut, in seinem Körper, das sieht man. Von vielen Schreibtischmenschen wird man das nicht behaupten können.
Elfström braucht kein Fitneßcenter, er wird vermutlich nicht nach dem Sinn des Lebens fragen müssen, nicht unter Depressionen leiden, keine Zerstreuungen brauchen, obwohl oder vielleicht gerade weil er die Dinge selbst bearbeitet. Die Werkzeuge sind zwar relativ primitiv, die Arbeit selbst aber überschaubar, vor allem aber auch selbstbestimmt. Wie der Zaun im einzelnen auszusehen hat, entscheidet er bei der Arbeit wie jeder Handwerker. Er ist nicht nur ein Rädchen im Getriebe, er stellt etwas her und damit stellt er auch etwas dar.
Ich glaube nicht, daß diese Menschen besonders ehrfürchtig dem großen Künstler entgegengetreten sind. Sie besaßen ihre eigene Würde, sie lebten in ihrer eigenen Welt, in die der Künstler zeitweilig eingetreten ist, um sie der Nachwelt zu erhalten. Dafür dürfen wir Carl Larsson dankbar sein.
Quellen
Abbildungen
© Werner Stürenburg
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