Märzfeld
Joseph Thorak, Deutschland (vermutlich) Bekrönung für das Märzfeld im Reichsparteitaggelände Nürnberg ca. 1937
Vermutlich Gipsmodell, der besseren Wirkung wegen freigestellt. Da einige Monumentalskulpturen von Thorak für das Reichsparteitaggelände dokumentiert sind, liegt die Vermutung nahe, daß diese Komposition den krönenden Abschluß bilden sollte.
Josef Thorak, 1889-1952 Geboren in Salzburg, etablierte Thorak sich in den zwanziger Jahren als freischaffender Bildhauer. 1928 erhielt er den preußischen Staatspreis für eine Porträtplastik von Reichspräsident Hindenburg. Im Dritten Reich machte Thorak eine glänzende Karriere mit riesigen Bronze- und Marmorskulpturen. 1937 wurde er Professor an der Kunstakademie in München. Hitler ließ ihm ein riesiges Atelier in Oberbayern errichten, wo er unter anderem Figuren für die Reichsautobahn herstellte. Nach dem Kriege ist der überwiegende Teil seines Werkes vernichtet worden.
Kommentar Von Werner Stürenburg
In der letzten Woche habe ich versprochen, einen Eindruck von der Blut- und Boden-Kultur zu geben. Außerdem soll es natürlich etwas mit Pferden zu tun haben. Da kommt mir Thorak gerade recht mit seiner Gruppe, die ein wenig an griechische Friese erinnert.
Bei der Buchbesprechung Das Pferd habe ich eine Zeichnung nach einem berühmten Fries am Parthenontempel auf der Akropolis gezeigt. Bei der obigen Gruppe könnte ich mir vorstellen, daß die Figuren von Thorak ebenso vor einer Wand stehen oder aus dieser Wand herauswachsen.
Die NSDAP hat jedes Jahr Anfang September in Nürnberg eine riesige Propagandaveranstaltung auf dem Märzfeld abgehalten. Selbstverständlich sollte diese Veranstaltung auch entsprechend künstlerisch aufgewertet und umrahmt werden. Thorak hat dazu monumentale Skulpturen entwickelt.
Unsere Gruppe ist so angeordnet und aufgebaut, daß sie einen flachen Giebel ausfüllen könnte, wie ihn die griechischen Tempel hatten. Die griechischen Heroen haben bei der nationalsozialistischen Ästhetik ebenso Pate gestanden wie bei der entsprechenden Ästhetik des Sozialistischen Realismus.
Brutalästhetik
| | | | Arno Breker Alexander der Große | | | | | | Die griechische Ästhetik bestimmt unser Leben bis auf den heutigen Tag. Die Bildhauer des Nationalsozialismus haben sich auf diese Ästhetik berufen. Als Beleg dazu führe ich ein antikes Porträt Alexanders des Großen und einen Heldenkopf von Arno Breker an.
Arno Breker ist berühmter als Joseph Thorak, und mindestens ebenso umstritten. Josef Stalin wollte Arno Breker in die Sowjetunion holen, damit er die Errungenschaften des Sozialismus verherrliche. Ich weiß nicht, ob Breker dieses Angebot ernsthaft in Erwägung gezogen hat.
Beide Ideologien, die eine links, die andere rechts, haben sich gar nicht so sehr unterschieden. Beide Diktatoren, Hitler und Stalin, haben ohne Bedenken Menschen gemordet, auf ein paar Millionen kam es ihnen nicht an.
Alexander war auch so ein Großtöter, aber das antike Portrait zeigt einen weichen, empfindsamen Menschen, der eine Vision hat. Brekers Alexander ist vor allem entschlossen, entschlossen zu Allem, obwohl er keine Vision hat. Es ist der Schreibtischtäter, der hart ist gegen sich selbst und andere, der Befehle ausführt, ohne über sie nachzudenken.
| | | | | Thorak, Deutscher Pavillon auf der Weltausstellung 1937 in Paris | | | |
| Andere Arbeiten von Thorak zeigen den neuen Helden in viel krasserer Form. Der Held ist eine Art Roboter, bereit, jeglichen Befehl des Führers umzusetzen.
Diese Ästhetik ist auch heute noch lebendig in der Filmindustrie und der davon inspirierten Spielzeugindustrie, die muskelbepackte Roboter-Helden für kleine Jungs herstellt, die der Verführung erliegen und später als Elitesoldaten für die Militärs funktionieren können.
Jegliche Art von Diktatur lebt von autoritätsgläubigen Menschen, die blind funktionieren. Der Galeriebeitrag über Alexander hat deutlich gemacht, daß der Diktator machtlos ist, wenn seine Generäle den Gehorsam verweigern.
Im Galeriebeitrag über Guerníca wurde erwähnt, daß dieses Gemälde für den spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris hergestellt worden ist. Der deutsche Pavillon stand direkt gegenüber dem russischen Pavillon. Mit den Mitteln der Ästhetik haben die Systeme sich bekämpft, aber an der Ästhetik konnte man ablesen, wie ähnlich die Systeme waren.
Pferde
| | | | Thorak, Schwertträger Foto: H. Schoepf, München | | | |
| | | | | Thorak, Fahnenträger Foto: H. Schoepf, München | | | |
| Im Werk von Thorak spielt das Pferd eine große Rolle.
Ich kenne von Thorak nur nackte Menschen, Pferde, oder Pferde und nackte Menschen.
Natürlich tutet das Pferd in dasselbe Horn, es ist also wild entschlossen, heroisch, grausam und schrecklich unerleuchtet. Ist es verwunderlich? Das Pferd kann genauso wie der Mensch für jeden Zweck mißbraucht werden.
Wir hatten schon bei anderen Künstlern gesehen, daß recycelt wurde. Auch Thorak hat recycelt. Das Pferd des Fahnenträgers ist auch solo verwertet worden. Und es wird in unserem Fries verwendet. Die Größe spielt keine Rolle. Man kann so eine Figur beliebig groß und beliebig klein machen.
| | | | | Thorak, Ausschnitt aus Fries, Pferd mit Rosselenker | | | |
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Das ist bei Bildhauern gängige Praxis. Oft machen die Großmeister nur ein kleines Muster, und die Assistenten müssen das dann beliebig vergrößern. Selbstverständlich legt der Meister dann anschließend noch letzte Hand an.
Zur Monumentalästhetik gehört der monumentale Maßstab. Am deutschen Pavillon konnte man schon erahnen, daß die Figuren überlebensgroß sind. Je größer desto heroischer, sozusagen: boah, eyh!
Maßstab
| | Thorak, Pferd und Rosselenker im Atelier, Fotos: H. Schoepf, München |
Schon Leonardo da Vinci schmeichelte dem Größenwahn seiner Auftraggeber, um zu überleben, wie wir im Galeriebeitrag Reiterdenkmal gelesen haben. Seine Riesenfigur des Pferdes konnte damals nicht realisiert werden, weil das Metall für Kanonen gebraucht wurde. Kunst und Krieg hängen anscheinend oft zusammen, vielleicht weil die Kriegsherren sich gerne auch in Bronze gießen lassen.
Im rechten Foto sehen wir links die Zentralfigur des Frieses, daneben einen Assistenten, über dessen Kopf ein Knie des Rosselenkers. Den Rosselenker habe ich zunächst als Einzelfigur gesehen und konnte mir gar keinen Reim darauf machen. Dann habe ich den Titel kennen gelernt und war noch mehr verwirrt.
Schließlich habe ich den Rosselenker im Fries wiedererkannt und gesehen, daß er in Kombination mit dem Pferd tatsächlich als Rosselenker erkannt werden kann.
Man sagt, ein Künstler porträtiere immer sich selbst, auch wenn er ein Porträt von einem Modell macht. Größer mag die Versuchung sein, wenn ein Typus verwirklicht werden soll. Hier wohl der Typus des Übermenschen, und da unser aller Adolf diesem Typus nun so gar nicht entsprach, hat Thorak vermutlich einfach sich selbst genommen, womit er jeglichen Konflikt vermieden hat.
Ein Künstler wird ja gern mit dem Begriff Titan belegt, und so arbeitet der Titan Thorak an seinen Helden und macht sie größer und größer und noch größer, damit nur ja jeder recht sieht, wie groß sie sind. Schließlich soll der einfache Mensch die große Kunst ja auch verstehen. Letzten Endes ist das alles also Politik, Propaganda, Verführung, und ich fürchte, nicht zum Guten.
Das Gute an solchen Zeitströmungen ist, daß sie keine Dauer haben. Das tausendjährige Reich dauerte - mal kurz nachrechnen - genau 12 Jahre, die Diktatur des Proletariats brachte es auf - je nach Blickwinkel - höchstens 72 Jahre, es soll Tyranneien gegeben haben, die länger gedauert haben, aber irgendwann hat das Volk dann immer genug von Größe und Herrlichkeit: Wir sind das Volk - wer das sagt, ist reif für die Freiheit und kann nicht mehr verdummt werden.
Die Pferde haben damit natürlich nichts zu tun, sie müssen sich das gefallen lassen. So sehen Pferde ja gar nicht aus, hier werden menschliche Phantasien in die Pferde hinein gelegt, sie transportieren etwas, was gar nicht pferdegemäß ist. Das Dritte Reich ist nicht mehr, Thoraks Pferde ebensowenig.
Für diese Art Heroismus haben die meisten Menschen heute nichts übrig, sie durchschauen die Mechanismen und spüren die Hohlheit und den Schrecken.
Andere wiederum sehnen sich danach, sie wünschen sich ihren Führer zurück und bestimmt auch dessen Ästhetik. Es gibt jedenfalls entsprechende Äußerungen im Internet. Thorak ist demnach ein verkannter Künstler, ein Genie, dessen Werke aus Niedertracht und Unverständnis zerstört worden sind.
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