Leserbrief › 1998 zu Ausgabe › 478 30.05.08
Erkrankung der Hufrolle / Strahlbeinlahmheit / Podotrochlose
Hallo Redaktion,
da momentan in ihren › Tipps über Hufrollenerkrankung gesprochen wird, möchte ich mit diesem Leserbrief ein bisschen Grundwissen (persönlicher Text - copyright also bei mir) sowie meine persönlichen Erfahrungen dazu beitragen:
Die "Hufrolle" besteht aus Kronbein, Hufbein, Strahlbein, Schleimbeutel und tiefer Beugesehne. Die tiefe Beugesehne führt über den Schleimbeutel über das Strahlbein hinunter zum Hufbein, an dem sie breitflächig angewachsen ist. So wirkt das Strahlbein mit Schleimbeutel quasi als Umlenkrolle für die tiefe Beugesehne. Beim Abfußen (Abstoßen vom Boden mit dem Huf) wird durch den Zug der tiefen Beugesehne der Schleimbeutel an das Strahlbein gepresst. Es entstehen also bei jedem Schritt des Pferdes enorme Zug- und Druckkräfte auf Sehne, Schleimbeutel und Strahlbein.
Bei einer Erkrankung der "Hufrolle" ist in erster Linie der schiffchenartige Knochen des Strahlbeines betroffen. Der Begriff Hufrollenentzündung ist dabei nicht treffend, da es sich nicht um entzündliche Prozesse handelt, sondern um eine Abnutzungserscheinung. Mittlerweile haben sich die Begriffe "Hufrollensydrom" oder "Strahlbeinlahmheit" eingebürgert. Der wissenschaftliche Name für die Abnutzungserscheinung des Strahlbeines ist "Podotrochlose". Als Ursache für die Strahlbeinlahmheit gelten vor allem Überbelastung des Pferdes, falsche oder zu frühe Reitausbildung, Fehler in der Hufzubereitung bzw. beim Hufbeschlag und nicht pferdegerechte Haltungsbedingungen. Die Strahlbeinlahmheit tritt vor allem an den Vordergliedmaßen auf, da diese nicht über so viel Flexibilität verfügen wie die Hintergliedmaßen. Die Vorderhand des Pferdes ist stützend gebaut, die komplette Stoßdämpfung erfolgt über den unteren Bereich des Beines und den Huf.
Wenn das Pferd durch die Strahlbeinschädigung Lahmheit zeigt, ist der Prozess oft schon so weit fortgeschritten, dass eine Heilung nicht mehr möglich ist. Der dämpfende Schleimbeutel ist zerstört, die Sehne "reibt" am Strahlbein entlang. Dieses ist für Sehne und Strahlbein schädlich und schmerzhaft. Am Strahlbein entstehen deshalb krankhafte Knochenveränderungen, die tiefe Beugesehne fasert auf.
Meine Lea habe ich nun seit August 1996. Bereits als sie zu mir kam, wurde Strahlbeinlahmheit diagnostiziert. Da ich meine Lea ihren Bedürfnissen entsprechend bewegt habe und bewege, sie nicht überfordere und auf sie eingehe, verschlimmert sich der Zustand nur langsam, doch leider stetig. Jedes zweite Jahr werden Röntgenbilder erstellt, um die Veränderungen des Strahlbeines zu überprüfen.
Ich möchte auch erwähnen, dass die Diagnose Hufrollenentzündung/Strahlbeinlahmheit oft eine Fehldiagnose ist. Es hat sich herausgestellt, dass viele ältere Pferde Veränderungen am Strahlbein haben, ohne deshalb lahm zu gehen.
Bei Lea hat der Tierarzt zusätzlich zu den Röntgenbildern den Bereich der Hufrolle betäubt, Lea ging danach auf dem entsprechenden Bein lahmfrei. Die Lahmheit ging auf das andere Bein über. Leider ist dies (fast) der Beweis, dass der Schmerz im Bereich der Hufrolle liegt. Eine Entzündung des Hufgelenkes muss im Vorfeld ausgeschlossen werden, da durch die Betäubung der unteren Beinbereiche auch das Hufgelenk schmerzfrei gemacht wird.
Wie bereits gesagt ist eine Heilung dieser degenerativen Erkrankung nicht möglich. Es besteht allerdings die Möglichkeit einer Besserung des Schmerzzustandes und einer "Verlangsamung" des Krankheitsfortschrittes.
Als erstes ist es hierzu wichtig, dem Pferd leichte Bewegung zu verschaffen, um die Durchblutung (also auch die Durchblutung der tiefen Beugesehnen) zu erhalten und zu fördern. Auch durchblutungsfördernde Medikamente sind empfehlenswert. Dem Pferd sollte die Möglichkeit gegeben werden die tiefe Beugesehne während des Gehens zu entlasten, es ist also sinnvoll, dem Pferd das "Abrollen" zu erleichtern. Dies geschieht am Besten durch einen stetig kurz gehaltenen Barhuf mit leicht berundeter Zehe.
Einen Beschlag lehne ich deshalb ab, weil die Durchblutung der Gliedmaßen dadurch erheblich beeinträchtigt wird, was ein schnelles Fortschreiten der "Krankheit" fördert. Des Weiteren wächst der Huf unter dem Beschlag in die Länge, dem Pferd wird also das Abrollen des Hufes erschwert, was die tiefe Beugesehne zusätzlich belastet. Besonders von Keilbeschlägen bin ich abgeneigt, da dadurch das ganze Pferdebein in eine unphysiologische Position gebracht wird � dadurch werden Gelenksentzündungen, Sehnenschäden, Muskelzerrungen, Knochenaufreibungen und vieles mehr befördert von der negativen Situation für den Huf ganz zu schweigen. Außerdem laufen die Pferde �meiner Erfahrung nach- mit den Keilbeschlägen sehr unsicher, staksik und klamm. Meine Lea war auch kurze Zeit lang mit Keilbeschlägen beschlagen und sie litt schwer darunter, sich auf ihren eigenen Beinen nicht sicher zu fühlen.
Den Schmerz komplett auszuschalten (durch Medikamente, Nervenschnitt, usw.) halte ich für unsinnig, da das Pferd die Gliedmaße dann nicht mehr schont und die Knochenveränderung noch schneller voranschreitet, dies kann bis zum Brechen des Strahlbeines oder zum Reißen der tiefen Beugesehe führen. Schmerz ist ein Schutz für den Körper, völlig sollte der Schmerz deshalb niemals "ausgeschaltet" werden.
Ein Pferd, das an einer Strahlbeinlahmheit leidet, muss aus der reiterlichen "Nutzung" genommen werden. Jedes "Nutzen" und "Fordern" eines solchen Pferdes ist �meiner Meinung nach- tierschutzwidrig. Meine Lea darf jederzeit selbst entscheiden, wie sie sich bewegen möchte. Sie bekommt unterstützend Naturheilmittel zur besseren Durchblutung und Knorpel/Sehnenunterstützung. Außerdem läuft Lea Barhuf und ihre Hufe werden wöchentlich so in Form gebracht, dass ein leichtes Abfußen ermöglicht wird, so wird die tiefe Beugesehne und damit der Hufrollenbereich entlastet.
Ich hoffe Lea wird die nächsten Jahre und länger auch noch so gut laufen.
Im Übrigen bin ich der Meinung, auch ein nicht-reitbares Pferd braucht sinnvolle Beschäftigung, z.B. Bodenarbeit, Spaziergänge, etc.. Im Zweifelsfall Rücksprache mit dem Tierarzt halten oder noch besser: mehrere Tierärzte und auch alternative "Heiler" um Rat fragen!
"Unsere Hufgeschichte" sowie Bilder von meiner Lea finden Sie bei Interesse auf meiner privaten Homepage » www.meinPferdetraum.de.
Viele Grüße. Kelly
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