| | Der geschmeidige Sitz: Johann Riegler | | | |
Der geschmeidige Sitz, wie ihn uns Johann Riegler in seiner gleichnamigen › DVD näherbringen will, ist das zentrale Element der Ausbildung der » Spanischen Hofreitschule. Dort bemüht man sich seit Hunderten von Jahren um eine herausragende reiterliche Ausbildung. Während die Sattelmeister und Obersattelmeister unserer Landgestüte in erster Linie für den Einsatz der Beschäler zuständig sind, sind die Mitarbeiter der Spanischen Hofreitschule mit derartigen Pflichten nicht belastet. Sie müssen lediglich die Pferde in der » Hohen Schule ausbilden.
Dazu müssen sie selbstverständlich ausgezeichnet reiten können. Man wird also erwarten dürfen, dass die Spanische Hofreitschule nicht nur auf ihrem Gebiet konstant außerordentliche Leistungen hervorbringen kann, sondern auch die Ausbildungswege sowohl von Pferd und Reiter im Laufe der vielen Jahre optimiert hat. Wenn einer weiß, wie man den richtigen Sitz erlernt, dann sollten es die Experten in Wien sein.
Wie ich in der letzten Woche schon ausgeführt habe, wohnt allen Lebewesen der Hang zur Optimierung inne. Wer nicht frustriert ist, wird sich automatisch darum bemühen, besser zu werden, die besseren Entscheidungen zu treffen, die besseren Kandidaten auszuwählen, die besseren Materialien zu benutzen, die besseren Methoden anzuwenden. So gesehen wundert es nicht, dass die Konzentration auf diese eine Tätigkeit zu außerordentlichen Ergebnissen geführt hat: Es war gewissermaßen unvermeidlich.
Dieser Hang zur Qualitätssteigerung betrifft allerdings sogar Entwicklungen, die sich letzten Endes als schädlich herausstellen können. Genauer gesagt ist es manchmal schwierig, zwischen dem Besseren und dem Schlechteren zu unterscheiden. Und manchmal bestehen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich dessen, was mit Qualität gemeint ist. Wenn beispielsweise die Lebensmittelkonzerne uns permanent verbesserte Rezepturen nach dem Motto "neu: jetzt noch besser" aufdrängen, kann dies aus der Sicht der Unternehmen durchaus insofern besser sein, als die Gewinne gesteigert werden können, während die Verbraucher mit minderwertigen Materialien abgespeist werden, sich dieselbe Maßnahme also als Verschlechterung erweist (siehe beispielweise » Der goldene Windbeutel).
Solche Beispiele widerlegen nicht etwa den uns innewohnenden Drang zur Verbesserung, sondern bestätigen ihn nur. Wir wollen alle immer besser werden, auch wenn das für manche bedeutet, dass sich für diese die Dinge schlechter entwickeln oder sie sich sogar immer besser und immer schneller zu Grunde richten. Auch das ist Optimierung, ganz zweifellos, also Unterscheidung zwischen dem Guten und dem Besseren: Der Unterschied liegt lediglich in der Bewertung, nach dem Motto: Gut ist, was uns hart macht, oder: Gut ist, was der Firma / dem Staat / dem Volk nützt.
Nun wollen wir also den richtigen Sitz des Reiters, von dem alle immer wieder schreiben, von dem wir also zumindest annehmen müssen, dass die Autoren, die über ihn schreiben, ihn haben, und der umgekehrt nur allzu oft denen, die tatsächlich auf dem Pferd sitzen, also mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Ihnen, abgesprochen wird, den berühmten geheimnisvollen Reitersitz, den wollen wir also erlernen, und zwar möglichst gut und möglichst schnell und möglichst mühelos.
Kann uns dazu diese DVD verhelfen? Ja und nein. Wir wollen etwas lernen, was unser Körper automatisch ausführen soll. Dazu bedarf es mehr als nur im Sessel zu sitzen und sich einen Film anzuschauen. Auf der anderen Seite nützt es möglicherweise wenig, ständig im Sattel zu sitzen und immer wieder dieselben Fehler zu machen. Denn wenn der richtige Sitz auf diese Weise zu erlernen wäre (Reiten lernt man nur durch Reiten), müsste jeder früher oder später vollautomatisch richtig sitzen und niemand bräuchte darüber dicke Bücher zu schreiben oder Filme zu drehen.
So einfach ist es also nicht, jedenfalls für viele oder sogar die meisten Reiter. Wie geht es dann?
Wir Menschen sind denkende Wesen, und Johann Riegler appelliert ausdrücklich an das Denken. Das ist durchaus angebracht, denn durch unser Denken werden wir oft blockiert. Jeder weiß das, die sich einmal unvermutet in der Öffentlichkeit bewegen musste und spürte, wie sein Körper sich verkrampfte und er sich nur noch absolut linkisch benehmen konnte.
Tiere bewegen sich instinktiv und müssen dabei überhaupt nicht denken. Auch wir müssen normalerweise nicht denken oder nachdenken, wenn wir unseren alltäglichen Verrichtungen nachgehen und unseren Körper in dieser oder jener Art durch den dreidimensionalen Raum bewegen. In diesem Sinne hat niemand Probleme, sich auf ein Pferd zu setzen und sich dort mehr oder weniger gut im Sattel zu halten, zumindest wenn er unbeobachtet ist. Das aber reicht nicht.
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