Damit ist die Situation der heutigen Zeit ebenfalls charakterisiert. Die Fürstliche Hofreitschule setzt sich ausdrücklich von sämtlichen anderen Reitweisen, insbesondere den sportliche Disziplinen, ab.
Diese extreme Haltung, die in den dann folgenden Passagen der "Ideologie" ihre Begründung findet, kann man eigentlich nur dann recht würdigen, wenn man die Geschichte Wolfgang Krischkes kennt.
Dem Beitrag » Ganz der historischen Reitkunst verschrieben... werden zwei Zitate Krischkes vorangestellt, die die damalige Problemlage kennzeichnen:
| Reiten sollte wie eine leidenschaftliche Rede sein.
Die von mir angestrebte Harmonie konnten mir meine damaligen Lehrer auf dem konventionellen Weg nicht vermitteln. | | |
Es beginnt also mit einer unerfüllten Sehnsucht. Krischke gab die Reiterei auf und beschäftigte sich mit der Falknerei, die bis heute sein zweites Standbein ist (» Der Falkenhof im Wisentgehege Springe - seit Frühjahr 2002, Vorführungen zweimal täglich à 45 Minuten um 11:30 u. 15:00 - hm, da muß er sich wohl zweiteilen).
1979 fiel ihm ein Westernreitbuch von Hardy Oelke in die Hände. Besonders ein Sliding Stop auf einem Isländer sprach ihn an:
| Ich las zum ersten mal etwas von "Horsemanship" und besuchte sofort ein Westernturnier. 14 Tage später hatte ich wieder ein Pferd samt Westernsattel, Cowboystiefeln und Hut. Volker Laves brachte mir endlich etwas über das Wesen der Pferde bei. Mit dem vertieften Verständnis wuchs auch mein reiterliches Können. | | |
1984 wechselte Krischke in das Profilager. Als Westernreiter beschäftigte er sich ausschließlich mit Quarter Horses und Arabern. Seine heutige Frau Christin nahm bei ihm Unterricht, verliebte sich in einen Araber und in den Trainer. Seit 1989 sind die beiden ein Paar.
Ein Jahr zuvor erlebte Wolfgang Krischke jedoch eine tiefe Krise. Mit 29 Jahren gewann er die Junior-Cutting-Europameisterschaft auf dem selbst importierten Quarter Horse Leo San Frost. Ein paar Tage später stellte er fest, daß er sein Pferd durch das anstrengende Training körperlich ruiniert hatte:
| Ich hatte sportlich-kommerziell Erfolg gehabt, aber reiterlich eine totale Niederlage erlebt. Das hat mir unglaublich leid getan und ich habe mir geschworen, daß ich nie wieder an einem Wettbewerb teilnehmen werde.
Ich wollte reiten, ohne einem Pferd jemals wieder zu schaden, und das geht eben nur mit einer systematischen Gymnastizierung ohne Erfolgs- und Zeitdruck. | | |
Zunächst wandte sich Krischke der kalifornischen Reitweise zu, traf dann aber » Richard Hinrichs, der sich bekanntlich große Verdienste um die Klassische Reitweise erworben hat, während einer Show auf dem Vollblutarabergestüt Ismer ( Vollblutaraber in Niedersachsen, Die große Gestütsschau).
Er nahm Unterricht bei Hinrichs in Hannover, der dabei sein Vorbild wurde, und lernte bei ihm iberische Pferde kennen und schätzen.
1990 wollten Krischkes selbst iberische Pferde kaufen. Sie fuhren nach Südfrankreich und kehrten mit drei Berbern zurück (kurz gesagt - die Langfassung war als Weite Reise veröffentlich):
| Die Berber haben mit ihrer Menschenbezogenheit das gehalten, was uns bei den Arabern immer versprochen wurde. Hinzu kamen Reiteigenschaften wie beim Spanier und diese Kombination ist für uns bis heute unschlagbar. | | |
Das war der Beginn eines großen Engagements für diese Rasse. Dazu gehörte auch ein umfangreiches Literaturstudium, das die beiden mehr und mehr gefangennahm:
| Wir studieren die alten Stiche und bemühen uns, alles so gut wie möglich nachzubilden [...] Je weiter die Pferde ausgebildet sind, desto sensibler müssen auch die Werkzeuge, sprich Gebisse und Sporen werden, um die Pferde mit immer weniger Hilfen frisch zu halten. [...] Derart durchgerittene, also ringfertige Pferde eignen sich hervorragend für alle unsere Shows, in denen wir die barocke Reiterei wieder ihrem ursprünglichen Zweck zuführen. Und um auf unsere Berber zurückzukommen: Sie lassen sich perfekt bis zu diesem Niveau ausbilden, ohne dabei heiß zu werden! | | |
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