|  | Training nach der Vorführung |  |  |  |
| | | | Man kann also nicht über die Reitweise sprechen, ohne zugleich die dafür geeigneten Pferde zu berücksichtigen. Die Wandlung, die das Pferd im Militär erfuhr, betraf nicht nur die Reitweise, sondern auch die Zucht. Deshalb gehen die Krischkes in ihrer » Ideologie der Hofreitschule als nächstes auf die Pferderassen ein:
| Jahrhundertelange Selektion ließ die heute bekannten unzähligen Pferderassen entstehen. Die meisten sind für einen konkreten Zweck gezüchtet wie z.B. Rennen, Ausdauer, Zugleistung, ausholendes Gangwerk, bequeme Fortbewegung oder Springeignung. Pferde sind zu Spezialisten geworden. Nur wenige bringen die Voraussetzungen für einen anmutigen, losgelassenen Tanz im Sinne der Reitkunst mit.
Am häufigsten findet man diese sowohl seelisch als auch körperlich prädestinierten Pferde unter den heute so genannten Barockpferderassen. Ein Pferd seines Zwecks zu entfremden mag den Reiter in das Licht des Könners rücken, widerspricht jedoch dem Gelübde des Reitkünstlers an sein künstlerisches Medium PFERD. | | |
Genau: Wir reden von Reitkunst und vom Reitmeister, der demzufolge ein Künstler ist. Ein Künstler braucht ein Medium, durch das er sich ausdrückt:
| Was dem Maler der Pinsel, dem Musiker sein Instrument und dem Dichter die Feder ist, ist dem Reitkünstler sein Pferd. Nur mit ihm kann er seine Kunst vortragen. Ohne das Pferd ist der Reitkünstler zu keiner Reitkunst fähig. | | |
Ein Reitkünstler ist jedoch nicht wie andere Künstler im Vollbesitz seiner Fähigkeiten, wenn er seine Mittel zur Verfügung hat, da das Mittel in diesem Falle ein lebendiges Wesen ist. Bei der Reitkunst geht es also um ein Zusammenwirken zwischen Mensch und Pferd. Deshalb bezeichnen die Krischkes das so entstehende Werk als ein Gesamtkunstwerk:
| Viel mehr noch besteht diese Abhängigkeit auch darin, dass des Reitkünstlers Medium ein lebendiges, fühlendes und denkendes Tier ist, von dessen Gewogenheit und dessen Lebenslust sein Kunstwerk in jedem Moment des Vortrages abhängt. | | |
Und nun erläutern sie, warum die sanfte Methode die einzige ist, die in diesem Fall Erfolg verspricht:
| Man kann die Anmut nicht erzwingen, nicht die Pointe herauspressen.
Die Kunst des Reitkünstlers hängt unmittelbar von der Eignung und ebenso eng von der geduldigen, einfühlsamen Ausbildung des Pferdes ab, das ganz individuell und seinem Naturell entsprechend geschult werden muss, um zu brillieren.
Zum Wohlbefinden eines Pferdes gehören eine artgerechte Haltung und Unterbringung, eine ausgewogene Ernährung und eine sachverständige medizinische Versorgung ebenso dazu, wie ein Lehrer, der ohne pekuniären Druck und Zeitvorgaben zu schulen in der Lage ist. Das zeigen uns die Ergebnisse der Reitmeister an den Königshöfen. [...]
Die Namen der Meister der Reitkunst nennen viele Menschen heute mit großer Ehrfurcht. Xenophon, Antoine de Pluvinel, Gustav Eugen von Löhneysen, Baron von Eisenberg, Francois Robichon de la Guérinière (u.a.) stellen die Reiter heutiger Tage vor die Frage, wie man in einem einzigen Leben ein solches Wissen anhäufen konnte.
Der Schlüssel liegt im von allen Zwängen losgelösten Forschen mit auserlesenen Pferden, nur geprüft vom wohlmeinenden Blick der Mäzene, seiner königlichen Majestäten. | | |
Welcher Künstler würde nicht von einem Mäzen träumen, dessen wohlwollenden Blickes er sich sicher weiß und der ihn unbeschwert arbeiten läßt, ohne jegliche Zwänge?
Kann ein Pferdemensch auf einen Mäzen hoffen? Oder sind mit diesen Zeilen nur die außergewöhnlichen Begabungen gemeint, die wirklichen Künstler, die Meister?
Geht es Krischkes um die Sache einiger Weniger oder zielen sie auf Breitenwirkung, und wenn ja, beziehen sich diese Worte auch auf "normale Reiter", die sich nicht unbedingt als Künstler sehen? Oder ist jeder, der klassisch reitet, automatisch ein Künstler? Möglicherweise vielleicht sogar noch mit Anspruch auf einen Mäzen?
Was ein rechter Künstler ist, der läßt sich ja bekanntlich ohnehin nicht unterkriegen und darbt lieber, als daß er von seiner Berufung ließe. Immerhin haben es die Krischkes auch ohne Mäzen schon recht weit gebracht. Gibt es heute überhaupt noch Mäzene? Es sind ja nur noch wenige königlichen Majestäten übriggeblieben. Aber vermutlich ist hier eher die majestätische Haltung gemeint, die natürlich erst durch ein entsprechendes Vermögen ermöglicht wird.
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