Zu dieser Zeit lebte Ilay mit seiner Mutter, seinem Vater und einer ca. dreißig Jahre alten Ponystute auf einer Weide auf dem Reiterhof.
Immer wenn ich versuchte, ihn allein von der Weide zu holen, stieg er und schlug zielsicher nach mir aus. Er ging regelrecht auf Angriff über, so daß es jedesmal bei dem Versuch blieb.
Mich verwirrte dies, denn ich hatte gelernt, daß Pferde Fluchttiere sind und nur dann angreifen, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Ich schob es darauf, daß er noch sehr jung war.
Mit Kabardinern kannte ich mich zu dieser Zeit noch gar nicht aus, so daß ich auch nicht wußte, daß sie als Gebirgspferde eben teilweise anders reagieren als andere Rassen. Von der Weide konnte ich ihn nur gefahrlos holen, wenn ich seine Eltern mitnahm.
Ilay lief dann hinter diesen her und war vollauf damit beschäftigt, sie zu piesacken. Das war garantiert nicht das, was ich mir darunter vorstellte, mein Pferd von der Weide zu holen. Doch wie sollte ich Ilay dieses klar machen?
Schließlich bat ich meine Reitlehrerin, die ja auch seine Züchterin war, um Hilfe. Ich bekam mit Ilay eine Einzelstunde. Es wurden in der Reithalle Stangen hingelegt, über die ich springen sollte, wenn er wieder auf mich los ging. Soweit zumindest die Theorie.
Während ich schon keine Puste mehr hatte, war Ilay noch immer frisch und munter. Sonderlich zu beeindrucken schien ihn diese Springerei auch nicht. Alles blieb beim Alten.
Meine Reitlehrerin sah wohl das Problem, jedenfalls sollte ich Ilay auf gar keinen Fall mehr alleine von der Koppel holen und ihr immer Bescheid sagen, wenn ich bei ihm war.
Das Ende vom Lied war dann, daß wir Ilay nur noch zu zweit von der Weide holten, einer links einen Führstrick und einer rechts einen Führstrick.
Ganz wohl war mir bei der Sache mittlerweile schon lange nicht mehr. Wenn er schon als Fohlen so reagierte, wie sollte es dann werden, wenn er ein ausgewachsener Hengst war?
Schließlich war es dann sogar soweit, daß andere Reitschüler und Einsteller schon flüchteten, sobald sie Ilay auch nur von Weitem sahen. Oder sie hauten nach ihm, wenn er doch einmal näher an sie herankam, was ihn natürlich auch nicht gerade zutraulicher machte.
Mir wurde dann sogar vorgeschlagen, ihn endlich mit Elektroschocks zur Räson zu bringen, was von mir strikt und mit Nachdruck abgelehnt wurde � das konnte einfach nicht die Lösung sein! Ich wollte ihn mit Liebe an mich binden, nicht mit Gewalt!
So langsam wußte ich nicht mehr ein noch aus. Ich konnte ihn weder ans Halfter nehmen, geschweige denn ihm die Hufe saubermachen, wie sollte ich dann überhaupt mit ihm arbeiten?
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