Ganz unschuldig habe ich mich in ein neues Thema eingearbeitet, das mir immer mehr zu entgleiten droht. Ich war beeindruckt von der Präsentation der Züchter des Hannoveraners auf der Pferd & JAGD, hatte zwei Hefte der Verbandszeitschrift studiert und war auf brennende Fragen der internationalen Zucht gestoßen. Zucht, so stellte es sich mir dar, ist nicht mehr nur die Angelegenheit der Züchter, sondern der Verbände und vor allen Dingen der Wissenschaftler, die sich als Genetiker als die eigentlichen Fachleute fühlen müssen.
Oder ist es eher umgekehrt? Bemächtigen sich die Züchter der Wissenschaftler? Ich kann diese Frage nicht beantworten. Viele Züchter, stelle ich mir vor, handeln mehr aus dem Bauch heraus, sind eher Liebhaber als berechnende Technokraten. Auf der anderen Seite greift die Wissenschaft auf alle Bereiche des Lebens zu - warum also nicht auf die Zucht? Wäre es nicht eine verführerische Vorstellung, die Zuchtleistung mit Hilfe der Wissenschaft zu verbessern?
Im Grunde ist die Entwicklung unvermeidlich. Je länger man sich mit einer Sache beschäftigt, desto mehr versteht man davon und desto mehr Fragen stellen sich, die man beantworten möchte und eines Tages auch beantworten kann. Immer mehr Menschen stehen im Dienst der Wissenschaft, stellen wissenschaftliche Fragen und sorgen dafür, daß die Wissenschaft ihre Kraft in der Wirtschaft ausspielen kann.
Denn selbstverständlich wollen die Züchter besser werden, persönlich und hinsichtlich Ihrer Produkte. Dazu müssen sie klare Zielvorstellungen haben und wissen, welche Maßnahmen zu einer Produktverbesserung führen. In den letzten Wochen habe ich gezeigt, wie der Verband der hannoverschen Warmblutzüchter aktiv an der Verbesserung des Zuchtgeschehens arbeitet, mit dem Ziel einer besseren Wirtschaftlichkeit ( Eliteauktionen, Weltranglisten, Züchterischer Fortschritt).
Das Geld spielt eine große Rolle, was in keiner Weise verwundert. Wir messen heutzutage alles am Geld; es ist im Grunde der einzige allgemein akzeptierte Maßstab. Der Züchter erwartet von seinem Verband, daß dieser alles tut, um seine Produkte aufzuwerten, und der Verband wiederum erwartet von seinen Mitgliedern, daß diese sich belehren lassen, um zu einem besseren Ergebnis zu gelangen.
So hatte ich in einem der vorigen Artikel den Konflikt herausgearbeitet, den ich glaubte zwischen der Verbandsleitung und den Mitgliedern erkennen zu können, zum Beispiel was die Haltungsbedingungen betrifft. Mehrere Zuchtverbände, unter anderem der hannoversche, hatten eine Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern von drei Universitäten beauftragt, gesundheitliche Randbedingungen zu untersuchen. Dabei hatten sich unabweisbare Konsequenzen für die Züchter ergeben, die diesen unangenehm sein müssen.
Wenn zum Beispiel nachgewiesen ist, daß Veranlagungen zu Gesundheitsproblemen vererbt werden können, verlieren automatisch die Tiere an Wert, die diese Disposition besitzen. Selbstverständlich tragen die Eigentümer schwer an einem solchen Verlust. Wenn sich weiter herausstellt, daß die Haltung in Boxen ebenfalls zu gesundheitlichen Problemen führt, bedeutet das in der Konsequenz nicht nur die Einführung von neuen Haltungsmethoden, die mit Kosten verbunden ist und die Aufgabe alter Gewohnheiten erfordern, sondern kann unter Umständen sogar zu einer Betriebsaufgabe führen, wenn nämlich eine alternative Haltung gar nicht möglich ist oder nur unter erschwerten Bedingungen, die sich letztlich als nicht wettbewerbsfähig erweisen.
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