| | Oliver Stein, Europameister (Team) 2003, Spin | | | |
| | | SR Rooster, Ergebnis: Platz 6 | | | |
| | | | Nochmal mit Kickin Freckles: Bronzemedaille | | | |
| | "Jetzt müssen wir eigentlich gewinnen", nahm Alexander Ripper die extremen Widrigkeiten als Omen, für die das Schicksal die deutschen Reiter nun zu entschädigen hatte. Erst sah es aber noch nicht so aus, als würde sich das Blatt der Deutschen wenden.
Henning Daude war als Einzelreiter und erster Starter dran. Ein Ausfall in den Trab nach einem Sliding Stop kostete ihn Punkte und so verließ der Pferdewirt und Trainer mit seinem achtjährigen QH-Wallach Pines Advocate die Arena nur mit einem 204er Score.
Dann startete der 31-jährige DM-Dritte Maik Bartmann als erster Mannschaftsreiter. 212,5 Punkte notierten die Deutschen zufrieden. Dann kam der mit 35 Jahren älteste deutsche Teamreiter Jürgen Pieper. Der Deutsche Vizemeister sammelte mit seinem siebenjährigen QH-Hengst GB Jac, "der in höchster Anstrengung immer sein bestes gibt", gleich 214 Punkte ein.
Langsam ging es aufwärts. Als drittes Teammitglied war Oliver Stein dran. Laut Aufgabe, es war Pattern Neun zu reiten, begann die Prüfung mit einem Sliding Stop. Gleich hier passierte der dicke Fehler, der den 23-jährigen Pferdetrainer am Ende teure Punkte kostete. Das Pferd beschleunigte, hielt aber nicht und Stein musste sogar an den Sattel greifen. Allein letzteres kostete fünf Punkte – pro Richter, was bei drei Richtern ein Minus von 15 Punkten insgesamt macht.
Bei der komplett im Galopp zu reitenden Reining – auch Dressur der Westernreiter genannt - startet ein Reiter immer mit einem Score von 70 Punkten je Richter. Je nach Ausführung der einzelnen Manöver wie Sliding Stop und Roll Back, Spins, langsame und schnelle Galoppzirkel oder Galoppwechsel, gewinnt oder verliert der Reiter Punkte zwischen Plus 1,5 und Minus 1,5 in Schritten von einem halben Punkt.
Entscheidend ist auch das Risiko, das im Tempo zum Ausdruck kommt. Je schneller jemand die Spins reitet – schnelle Drehungen auf der Hinterhand, desto besser wird es von den Richtern bewertet. Besteht doch bei einem schnellen Spin eher die Gefahr, dass Reiter und Pferd überdrehen. In der Prüfung ist nämlich die Anzahl der Drehungen genau vorgegeben. Pattern neun verlangt erst vier Drehungen nach Rechts und dann Vier und ein Viertel Spin nach links. Ein Über- oder Unterdrehen gibt Minuspunkte.
Trotz des Rumplers gleich zu Beginn der Prüfung behielt Oliver Stein, der seine hochschwangere Frau zu Hause gelassen hatte, die Nerven und ritt die Prüfung fehlerfrei zu Ende. 194 Punkte als Endergebnis ließen Equipechef und Reiter erahnen, dass hier ohne den Anfangsfehler durchaus ein Score über 210 drin gewesen wäre. Tröstende Worten von allen auf dem Abreiteplatz, Streichergebnis und Abhaken.
Dann kam Alexander Ripper mit dem zwölfjährigen QH-Hengst. Mit dem Pferd seines Vaters Georg Ripper holt der Deutsche Meister 216 Punke. Trotz Startschwierigkeiten setzte sich die Mannschaft mit einem guten Polster von sieben Punkten Vorsprung an die Spitze der insgesamt acht Nationen (641 Punkte). Den zweiten Platz teilten sich mit 634 Punkten die Schweizer, Briten und Israelis. Die gastgebenden Italiener und WM-Bronze-Gewinner vom vergangenen Jahr schockten sich selbst mit dem dritten Rang als EM-Zwischenstand. Fehlten in Reggio doch die Gold- und Silbermedaillengewinner USA und Kanada.
Samstag, 17 Uhr: Der zweite und entscheidende Go Round beginnt. Die deutschen Reiter sind guter Dinge. Oliver Stein ist erster deutscher Starter. Sollte er irgendeinen Druck auf sich gespürt haben, so hat er es sich nicht anmerken lassen. Souverän reitet er Pattern Fünf und holt mit Enterprise Winder 213,5 Punkte.
Es folgt Maik Bartmann, der mit seiner frisch angetrauten Frau quasi die Flitterwochen auf der EM verbringt. Er verlässt mit Twist N Shout Whiz (Besitzer Helmut Schmaus-Gerstenberg, Buchholz) den Reitplatz mit 211,5 Punkten, was an diesem Tag das auf hohem Niveau schwächste Ergebnis der Deutschen bleiben wird.
Als dritter Mannschaftsreiter ist Jürgen Pieper dran. Er will es bei der EM mit GB Jac wissen. Seine Risikofreude und sein Ritt werden von den Richtern mit 216 Punkten belohnt. Im Hintergrund wird fleißig mitgerechnet. Wie steht es um das Gold? Die Schweizer, Briten und Italiener greifen an und machen klar, dass sie wenigstens die Silbermedaille wollen.
Als letzter Team-Reiter geht Alexander Ripper rein. Er und sein von ihm als "arbeitswillig, lernwillig, umgänglich und nervenstark" beschriebenes Pferd entlocken mit ihrer Vorstellung den Richtern den bis dahin höchsten Score von 220 Punkten. Ein Score, der später nur noch von der Vize-Europameisterin Rosanne Sternberg mit 220,5 getoppt wird.
Damit sichert Ripper dem Team die Goldmedaille und sorgt dafür, dass auch noch eine zweite Goldmedaille in sein Gepäck wandert. "Ich hab an die Sättel gedenkt", erklärt der Fahrenbacher sein Erfolgsrezept in bestem Odenwald-Deutsch. Die Sättel sind dann auch Schlachtruf und Motivation für den letzten Starter. "Denk an die Sättel," tönt es aus der deutschen Fankurve als Henning Daude reitet. Er hat dran gedacht und holt 216 Punkte.
"Wir sind im Plan", kommentierte Equipechef Paul Kratschmer zwischendurch die Ergebnisse seiner Reiter. Mit der Aussicht auf eine Mannschaftsmedaille war die deutsche Equipe angereist. Bronze sah man als realistische Mindestleistung an.
Dass es am Ende aber Team- und Einzelgold würde, das hatte keiner erwartet. Auch nicht, dass man sich ein luxuriöses Streichergebnis von 211,5 Punkten leisten könnte. Und: Fast hätte der Viertplatzierte Jürgen Pieper noch Einzelbronze geholt.
Eine besondere Karriere: in acht Jahren vom Nichtreiter zum Reining-Europameister. Der ehemalige Leistungs-Kunstturner hat nämlich erst vor acht Jahren mit dem Reiten begonnen. Ein halbes Jahr später ritt er sein erstes Westernturnier. Heute verdient er sein Geld als Profitrainer. In der weiteren Einzelwertung der insgesamt 34 Starter belegten die Mannschaftseuropameister Bartmann und Stein und Einzelreiter Daude die Plätze 11 (Gesamtscore: 424), 24 (407,5) und 16 (420).
Als Mannschaft waren die sechs Reiter losgefahren. Und dass sie ein Team sind, bewiesen sie vor Ort. Gemeinsam überstanden sie alle Widrigkeiten. Jeder half jedem. Wenn auch Agnes Ramme nicht reiten konnte, sorgte sie für mentale Unterstützung.
Wie übrigens auch Grischa Ludwig (Bitz). Der erste Deutsche Reining Meister sollte ursprünglich auch mit nach Italien. Ihm stand jedoch das Pferd nicht zur Verfügung. Und so brachte er sich ebenfalls mit moralischer Unterstützung in die EM ein. Bis zuletzt gaben alle Reiter alles.
Und die Sättel spielten dabei eine wichtige Rolle, wie Henning Daude bestätigte: "Besonders der letzte Ritt war den gestohlenen Sätteln gewidmet." Tja, nur die harten kommen in den Garten.Adelheid Borchardt, FN, 31.10.03, » Erste Europameisterschaft Reining mit Handicap für Deutschland
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