Ein Fohlen macht Kunst-Karriere Anonyme Kreativität in nächtlichen Aktionen von Gerd Hebrang |
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Vorbemerkung Die vergangene Woche habe ich in Hamburg verbracht und bin nach wenigen Stunden Schlaf am Samstag morgen nach Brüssel aufgebrochen für eine zweitägige Konferenz: » FOSDEM (Free and Open Source Software Developers Meeting).
Deshalb kommt die Ausgabe erst heute am Montag. Merkwürdigerweise hat die Fohlen-Skulptur mehrere Berührungspunkte mit dem Hauptthema der Konferenz: Softwarepatente. | |
Das Internet ist immer für Überraschungen gut. Vor 14 Tagen suchte ich nach einem Thema für meine Kunstgalerie. Eigentlich gar nicht ernsthaft, aber schnell stellte sich heraus, dass ich bei » Google auf ein interessantes Thema gestoßen war mit den Suchbegriffen "Pferd" und "Kunst".
Haben Sie schon einmal vom Holbein-Pferd gehört? Holbein - damit ist doch sicherlich der Schweizer Maler » Hans Holbein der Hochrenaissance gemeint (1497-1543), den es aus Basel nach London verschlagen hatte an den Hof » Heinrichs VIII, der seinerseits Berühmtheit erlangt hat durch seine vielen Frauen und die Gründung der anglikanischen Kirche, die bis auf den heutigen Tag fortbesteht.
Das Holbein-Pferd steht in Freiburg in der Nähe der Holbein-Straße, daher der Name. Es ist gar kein Pferd, sondern ein Fohlen. Dieses Fohlen ist aus Beton, wurde 1936 vom Bildhauer Werner Gürtner geschaffen, 1940 von der Stadt aus Privatbesitz gekauft und am Ortsausgang von Freiburg in Richtung Günterstal aufgestellt (» Standort - siehe auch Kunstgalerie Pferd und Reiter).
Ich zitiere aus der Homepage von » Hanno Kühnert:
Dreißig Jahre stand es fast unbeachtet auf der Wiese - eine harmlose Freude für die Spaziergänger dort.
Ende der sechziger Jahre entdeckten widerborstige Studenten, Künstler und Witzbolde die Fohlen-Plastik als Zielscheibe für ihre Malkünste und als wunderbaren Vermittler ihrer Proteste. Das Pferd wurde politisch. Nachts malten die Pferdchenmaler den kleinen Gaul bunt an; ein Seniorenverein entrüsteter Bürger fühlte sich jahrelang bemüßigt, das Pferdchen immer wieder zu reinigen.
Später wurden die Kunstwerke langsam akzeptiert. Anwohner und die Polizei drückten sogar beide Augen zu. Ämter und Behörden ließen die - unbekannten - nächtlichen Hobbymaler bis heute ungeschoren. Das Pferd mutierte zum Spaß-Wahrzeichen Freiburgs. Inzwischen hat es fast jeden Monat ein neues Kleid. Im Sommer 1997 wurden die zahlreichen Farbschichten entfernt, gleich war Ersatz da.
In der Nacht zum 23. September 1998 schlugen Rowdies mit einem Eisenrohr auf die Fesseln des Pferdes; das Pferdchen stand nur noch mit dünnen Eisenbeinen da und weinte grüne Tränen. Freiburg war entsetzt, aber bald war die Figur wieder repariert.
Wer mit der Straßenbahn dort vorbei fährt oder spazieren geht, ist auf das jeweils neue Gewand des Pferdchens neugierig. | |
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