 |  | | Tinker lieben Geschecktes |  |  |  | Die quasi angeborene Furcht und Vorsichtigkeit ist keineswegs ein Mangel an Intelligenz, sondern für mich eher ein Beweis dafür, daß Equiden über ein relativ hoch entwickeltes Gehirn verfügen, das aktuelle Eindrücke mit problemrelevanten Informationen aus dem Gedächtnis vergleichen und zur Bewältigung der Situation heranziehen kann.
Bei Eddy beobachte ich immer wieder, daß "positive" Erfahrungen und das Verhalten des "Alpha-Tieres" höher bewertet werden als das instinktive Verhalten eines Fluchttieres gegenüber einem Raubtier.
Instinkt sehe ich hier als niedere geistige Fähigkeit, die ein Tier zwingt, einen bestimmten Reiz, den es wahrnimmt, mit einer durch diesen Reiz ausgelösten Bewegung unbewußt und quasi willenlos zu beantworten.
Ein Bernhardinermischling in Größe eines Kalbes "besuchte" Eddy und mich bei der Bodenarbeit auf dem Reitplatz. Just in dem Moment, als dieser Hund nach dem herunterhängenden Ende der Longe geschnappt hatte, schien sich Eddy in eine Furie zu verwandeln: mit gefletschten Zähnen und steil nach unten gestrecktem Hals jagte er den Hund vom Platz.
Einem Spaziergänger mußte ich anraten, seinen kläffenden Hundemischling an die Leine zu nehmen, da Eddy nach offenbar unverstandenen Drohgebärden bereits seine Hinterhand in Position gebracht hatte.
Ich möchte hier nicht diskutieren, ob es ein Anzeichen von Intelligenz ist, wenn ein Beutetier ein Raubtier angreift - sei es nun aufgrund von Eifersucht oder aufgrund der Meinung, ein Herdenmitglied schützen und verteidigen zu müssen.
Interessant ist für mich in diesem Zusammenhang nur, daß Eddy offenbar seinen Verstand einsetzt, um die Situation zu beurteilen und entsprechend zu reagieren: Eddy scheint sich seiner Stärke (und seines Sieges) stets sicher zu sein, wenn er sich mit "unfreundlichen" Hunden anlegt - nicht einfach wegrennen wie ein Fluchttier, sondern denken und handeln wie ein Leittier.
Eddy ist demnach in der Lage, Ergebnisse ursprünglicher instinktiver Handlungen mit einem gewissen Verständnis wahrzunehmen und zu beurteilen, um sie künftig willentlich und bewußt zu beeinflussen.
Mag sein, daß im vorliegenden Fall nur Fluchtinstinkt durch Beschützerinstinkt ersetzt worden ist. Bemerkenswert ist mir aber die Tatsache, daß Eddys Instinkt abänderungsfähig ist, eine Eigenschaft, die laut Lehrbüchern nur bei Tieren höherer Ordnung anzutreffen ist.
Instinkt verstehe ich als langfristig angelegte Intelligenz. Schließlich sind Instinkte nichts anderes als das erlernte Wissen aus Erfahrung, die eine Spezies über sehr lange Zeit angesammelt hat. Instinkte sind alle Verhaltensmuster, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und so das Überleben der Art sichern.
Auch ein Mensch besitzt Instinkte. Doch wird bei ihm diese langfristige Intelligenz bereits frühzeitig durch erlerntes Verhalten mehr und mehr überlagert. Hieraus mag resultieren, daß viele Tierarten viel schneller und effektiver als der Mensch lernen, selbständig zu überleben.
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