Silvester
Italien Konstantin und Silvester 13. Jahrhundert, Fresko, Silvesterkapelle, Santi Quattro Coronati, Rom
Papst Silvester reitet auf einem weißen Zelter, Kaiser Konstantin der Große führt den Zelter am Zügel und signalisiert somit eine dienende Rolle.
Kommentar Von Werner Stürenburg
Silvester? War da nicht was? Genau, den hatten wir doch erst! Eben, dieser ist es. Er ist am 31. Dezember gestorben, ein Heiliger, und deshalb ist der 31. Dezember sein Tag. Papst war er, in einer wichtigen Zeit, als die Kirche zu dem geworden ist, was sie heute noch ist: eine mächtige Institution.
Die Frühzeit des Christentums war die Zeit der Ohnmacht, der Märtyrer. Jahrhundertelang hatten die Christen unter Verfolgungen zu leiden. Es war die Religion der Unterdrückten, der Hoffnungslosen, und niemand hätte voraussehen können, was daraus einmal werden würde.
Dieses Bild zeigt bereits, was daraus geworden ist: ein Machtspiel. Der Papst ist offensichtlich der Mächtige, dem der Kaiser dienen muß. Er ist in der Lage, den Segen auszuteilen, dessen der Kaiser bedarf.
Streng blickt der Papst, furchtsam der Kaiser, der Papst schaut den Kaiser noch nicht einmal an, sondern über ihn hinweg, während der Kaiser seine Augen vom gewaltigen Papst gar nicht losreißen kann.
Geschichte
| | | | Silvester wird durch Konstantin als Papst gekrönt, Kölner Dom, um 1332 | | | | Dabei war alles umgekehrt: der Kaiser war mächtig und hat den Papst benutzt, um seine Politik durchzusetzen. Keineswegs fühlte er sich abhängig vom Segen des Papstes.
Das war anders in der Entstehungszeit des Bildes. Mittlerweile rang der Papst mit dem Kaiser um die Macht. Das Bild mit dem Zelter ist also reine Zweckpropaganda.
Das Bild im Kölner Dom ist da schon etwas realistischer. Der Papst empfängt seine relative Macht aus den Händen des Kaisers.
Es wurde aber noch viel mehr gelogen, und jahrhundertelang hat man dann sogar vergessen, daß es eine Lüge war. Selbst heute noch werden diese Lügen als Wahrheit im Internet verbreitet.
So soll der gute Konstantin dem Silvester den Kirchenstaat vermacht haben, der bekanntlich heute noch existiert. Und zwar als Dank dafür, daß Silvester den Kaiser vom Aussatz befreit habe.
Wer sich über die geschichtlichen Tatsachen und die politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen orientieren will, findet eine sehr schöne Übersicht im Internet: Verhältnis von Kirche und Staat zur Zeit Kaiser Konstantins und im Mittelalter.
Diese Zusammenstellung machte mich neugierig. Wer steckt hinter dieser Seite? Der Link mit dem Titel Abiturrelevante Texte deutete auf schulische Zusammenhänge hin. Die Seite eines Lehrers also - nicht so besonders interessant. Aber dann merkte ich auf, denn ich probierte den Link Homepage.
Eschenbacher Predigten hieß es dort, von Eberhard Gottsmann, Oberstudienrat in Eschenbach. Eigenartig, wieso predigt ein Oberstudienrat, und wieso veröffentlicht er diese Predigten im Internet?
Ich probierte den Link Aktuelle Predigt (Zum Abschied) und wunderte mich über den eigenartigen Untertitel. Da wurde ich schon ins Bild gesetzt: Eberhard Gottsmann verstarb am 23. August 2000. Darunter ein Porträt des Verstorbenen mit der Unterschrift: Zum Abschied an Euch alle!
Dann kurz die Information, daß er von seiner fortgeschrittenen Krebskrankheit erfahren habe (er überlebte diese Nachricht nur drei Wochen) und wie er die Zeit danach erfahren hatte.
"Von allen meinen 'Internetfreunden' verabschiede ich mich hiermit und wünsche Ihnen, daß Sie ebenfalls das Gottvertrauen aufbringen können und einmal dasselbe Geschenk des inneren Friedens erhalten, wie ich in meinen letzten Wochen."
Anstelle einer Predigt: Mein Geistliches Testament. Ich habe diese Predigt / dieses Testament mit großem Gewinn gelesen und anschließend sogar teilweise am Telefon vorgelesen. Ich möchte Ihnen wirklich empfehlen, diese Schrift zu lesen. Es ist erstaunlich, daß jemand, der offensichtlich in kirchlicher Strukturen eingebunden war, zu solchen Einsichten kommen konnte.
Die Kämpfe, die Kirche und Staat seit den Zeiten Silvesters und Konstantins ausgefochten hatten, hat dieser Gottesmann, der auch noch so hieß, wirklich hinter sich gelassen.
Zelter
Der Papst sitzt auf einem weißen Pferd, und dieses Pferd geht Paß - es handelt sich demnach um einen Zelter.
Das würde man auch erwarten, denn je höher die Person, desto wertvoller das Tier, und Zelter waren teuer und begehrt, weil sie den besten Komfort auf der Reise boten.
So findet man die Bezeichnung Zelter in der Literatur vorwiegend im Zusammenhang mit hochgestellten Persönlichkeiten. Ein Beispiel von den Brüdern Grimm aus der Sage Der Roßtrapp und der Kreetpfuhl:
"Einst aber ersah sie Bodo jagend auf der Schneekoppe und sattelte sogleich seinen Zelter, der meilenlange Fluren im Augenblick übersprang; er schwur, Emma zu fahen oder zu sterben."
Adalbert Stifter, Sie waren sorglos und fröhlich: "Da war der erste, der heran kam, ein Jüngling in scharlachrotem Gewande auf einem weißen Zelter."
Ein weiteres Beispiel aus einer juristischen Vorlesung:
Als der Herr Kaiser Friedrich einmal auf seinem Zelter mitten zwischen den Herren Bulgarus und Marinus ritt, befragte er sie, ob er nicht von Rechts wegen Herr der Welt sei.
Und Herr Bulgarus antwortete, er sei nicht Herr bezüglich des Eigentums. Herr Martinus aber antwortete, er sei der Herr.
Als dann der Herr Kaiser von dem Zelter abstieg, auf dem er gesessen hatte, ließ er ihn dem genannte Herrn Martinus schenken.
Herr Bulgarus aber sprach als er dies hörte, die folgenden geistvollen Worte: "Ich habe das Pferd verloren, weil ich das Gerechte gesagt habe, das nicht das Günstige gewesen ist." |
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Der Papst hat übrigens ein langes Gewand an, das gar fein um seine Beine spielt. Man mag sich fragen, wie das Gewand geschnitten ist, damit er so auf dem Pferd sitzen kann.
Genau diese Frage wurde diskutiert in einer Diskussionsrunde, die sich mit der Reinszenierung des Mittelalters beschäftigt: Reitbekleidung der Frauen im MA. Wie saßen die Damen und Herren damals zu Pferde? Wie muß man also die Kleidung heute nachschneidern?
In einer anderen Diskussionsrunde ging es darum, welche Art Pferden für Ritterspiele benutzt wurden und wie man diese ausbildet: Ausbildung von Kriegspferden-Schlachtrössern.
Das Internet ist für jede Überraschung gut, und wenn man Zeit genug hat, kann man sich leicht darin verlieren. Man lernt aber auf jeden Fall eine Menge dazu. Heute also etwas über Zelter und Silvester. Und wer noch tiefer eingestiegen ist, hat sogar etwas über die Liebe Gottes gelernt.
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