20.09.01
Unschön das Thema diese Woche, allerdings passend zur allgemeinen, absolut deprimierenden und traurigen Lage...
Es mag sein, daß nichts gegen Pferdefleisch spricht, aber mir persönlich kommt es da hoch. In mir sträubt sich alles dagegen. Allerdings versuche ich auch sonst, den Fleischkonsum einzuschränken, überlege bei jedem Stück Leder, ob es wirklich nötig ist oder ob es auch einen Ersatz gibt.
Viele sagen ja, die Pferde merken nicht, wohin es geht. Ich habe da Zweifel. Als mein Pflegepferd 1997 zum Metzger ging (eine Entscheidung, die ich nicht unterstützte), wollte er, der sonst immer brav in den Hänger stieg, schon mal nicht in den Transporter. Zu viert standen wir da und redeten auf ihn ein. Um zu verhindern, daß er zuletzt noch eins mit dem Besen kriegte, versuchte ich es und schließlich ließ er sich überreden, mit mir – und nur mit mir allein! – in den Hänger zu steigen. Sie können sich sicher vorstellen, daß ich mich wie ein Verräter fühlte, denn er war doch mein Freund und ging nur mit, weil er mir vertraute! Es schmerzt bis heute.
Es wird auch behauptet, daß nach dem Bolzenschuß das Pferd sofort bewußtlos wäre. Im ZDF war vor zwei Jahren eine Filmaufnahme zu sehen, wo ein Pferd nach dem Bolzenschuß noch aufrecht stand und schrie wie eine Sirene. Das arme Tier versuchte voller Entsetzen wegzulaufen, was auf dem glatten Boden der Tötungsbox natürlich unmöglich war. Mir standen die Haare, als ich das sah.
Ein zweites Pferd war in einer Box angebunden und hatte ungehinderten Ausblick auf die bereits getöteten Pferde. Ich habe noch nie so panische Augen gesehen. Soviel dazu, daß die Tiere nichts wüßten.
Ein Pferd, das eingeschläfert wird, mag eventuell noch zucken, aber es ist dann schon weit weg und merkt nichts mehr – wenn es richtig gemacht wird!
Was die Haflinger- und beispielsweise auch Freiberger-Fohlen und viele Kaltblüter angeht, halte ich die Zuchtpolitik schlicht und einfach für Schwachsinn. Wenn man nur für die Metzger züchtet, kann man’ s auch gleich bleiben lassen! Es ist zwar sicher korrekt, daß eine gewisse Anzahl Tiere geboren werden muß, damit Geld verdient wird, aber dieses Geld kann man auch durch Pensionspferde bekommen. Oder auch, indem man Gnadenbrotpferden einen Platz bietet. Auf dem Hof, wo mein Pony lebt, gab es dieses Jahr nur drei eigene Fohlen. Aber es gibt circa 50 Einsteller, davon circa zehn aktive Reiter, drei fremde Fohlen von diesem Jahr, eine Jungstuten-, Junghengste, Mutterstuten-Gruppe mit jeweils fremden Pferden dabei und nicht zuletzt acht bis vierzehn Gnadenbrotpferde, von denen das älteste 33 Jahre (!) alt ist. Die alte Dame muß übrigens durchaus nicht auf die Koppel getragen werden – ganz im Gegenteil! Da muß man froh sein, wenn man noch mitkommt.
Auf diese Art trägt sich der Betrieb auch, ohne das man massenhaft Fohlen in die Welt setzt, die keiner braucht. Das könnte auch bei Kaltblutzüchtern, die eine Zucht aufbauen, funktionieren, wenn man bereit ist, eine gewisse Vielfalt an Rassen auf seinem Hof zu akzeptieren, die eventuelle Einsteller nun mal mitbringen. Mein Pferd lebt als Norweger-Araber-Mix auf einem Trakehnergestüt mit Württembergern, Trakehnern, Arabern, Haflingern und Friesen. Auch einen Appaloosa habe ich bei den Junghengsten schon gesichtet. So eine Art vereinte Nationen auf vier Hufen. Ich könnte mir vorstellen, daß viele Kalblutbesitzer auch froh wären, Ihren etwas größeren Equiden bei einem Kaltblutzüchter unterzustellen – der wäre auf die Dimensionen, die manche dieser liebenswerten Pferde nun mal haben, auch entsprechend eingerichtet.
Ich finde, es ist auch viel zu einfach, ein Pferd beim Metzger loszuwerden. Wenn man ein gesundes Kleintier beim Tierarzt einschläfern will, bekommt man zu Recht Ärger. Wenn man sein Pferd nicht mehr will, kann man es einfach zum Metzger bringen – ist das korrekt? Nein. Pferde stehen als sowohl Haustiere als auch Nutztiere gesetzlich in einer Grauzone.
Vielfach muß ich mir aus Nichtreiterkreisen anhören, daß Reiter doch nur Pferde verheizen und dann das Tier wegwerfen. Darüber und auch über das katastrophale Image, das Reiter außerhalb von Reiterkreisen haben, sollte man mal nachdenken. Bei einem Briefwechsel mit einem Tierschützer erwähnte ich mal das Thema und es kam der erstaunte Satz zurück, daß er auf den Gedanken, ein Pferd schlachten zu lassen, nie kommen würde.
Das zeigt doch auch, daß das Pferd für viele eine gewisse Mystik hat. Wer kennt nicht die kleinen Mädchen, die das Pferd mit den Augen verschlingen, wenn man vorbeireitet? Oder der ältere Herr, der vielleicht früher auch geritten ist und nun fragt, ob er mal streicheln darf? Ein Landwirt sprach mich mal an und tätschelte voller Begeisterung an meinem Pony herum, während er mit einem verräterischen Glanz in den Augen erzählte, daß er früher auch Pferde gehabt hätte. Die wenigsten denken beim Anblick eines Pferdes an Schnitzel, sondern an die Faszination dieser Tiere.
Es gibt übrigens durchaus auch Fälle, wo sogenannte Nutztiere (ich hasse diesen Begriff, denn das Nutztier an sich gibt es genausowenig wie die Milchkuh!) dem Metzger entgehen. Die Animals Angels haben beispielsweise einige Schweine vor dem Schlachter gerettet, die nun auf entsprechenden Höfen ein hoffentlich saustarkes Leben führen. Für diese Tiere werden auch Paten gesucht. Im neuen Tierschutzkalender 2002 vom Echo-Verlag ist eine anrührende Geschichte über ein Schaf, das als Haustier lebt. Es gibt noch mehr schöne Beispiele.
Und sollte es nicht so sein, daß man die Situation von Kuh, Schwein, Huhn und so weiter verbessert, anstatt die Situation von Pferden (und natürlich auch Eseln und anderen Equiden) zu verschlechtern? Daß man sich überlegt, ob es heute unbedingt Fleisch sein muß? Solange man immer noch nach dem billigsten Fleisch Ausschau hält, werden die Zustände, die zu BSE und MKS geführt haben, bleiben. Und wenn Pferde auch auf dem Status der Nutztiere stehen, werden sie auch in der Massentierhaltung landen – mit allen Nachteilen. Die Lebendtransporte sind ja schon ein Nachteil, den sie mit Rindern, Schafen, etc. teilen müssen, weil die Gesetzgebung pennt.
Für mich steht jedenfalls fest, daß mein Pony nicht zum Metzger kommt. Ich hoffe, bis dahin ist es leichter, ein Pferd verbrennen zu lassen, Einäscherungen werden ja vereinzelt schon angeboten. Ich werde doch nicht das Tier, mit dem ich jahrelang Freud und Leid geteilt habe, schlachten lassen! Meinen Hund habe ich schließlich auch nicht in die Bratröhre geschoben.
Liebe Grüße
Licorno Der einzige, der den Ozelotpelz wirklich braucht, ist der Ozelot. (Bernhard Grzimek)
23.09.01
Kommentar zu Seite /Leserbriefe/387
2001-09-23 08:25:58
Pferdefleisch/Kaltblutzucht
Hi Licorno,
auch wenn ich deine meinung in den meisten punkten teile, unterliegst du einem denkfehler: um eine population (hier: einzelne kaltblutzuuchten) genetisch gesund zu erhalten, bedarf es eines bestandes von mindestens 200 tieren. um solch einen bestand zu erhalten, muß ein gewisser prozentsatz an fohlen geboren werden. wie sylvia gut vorrechnet, ist jedoch keine entsprechende nachfrage vorhanden. es ist traurige tatsache, daß es nur zwei möglichkeiten gibt: entweder wir lassen etliche rassen für immer untergehen oder wir akzeptieren notgedrungen die "vermarktung" als fleischlieferanten.
bei den haflingern gilt dies jedoch nicht, hier ist, wie du es ja auch sagst, eine verfehlte zuchtpolitik betrieben worden.
übrigens: wußtest du, daß in italienischer salami bis zu 50% pferdefleisch enthalten ist? daß der italienische kaltblüter ohne die salamiproduktion schon ende der fünfziger ausgestorben wäre?
was das schlachten von pferden angeht: ich bin bei meinen pferden immer (bisher 3x) mitgegangen. der bolzenschuß zerstört den teil des gehirns, der das bewußtsein "enthält". alle danach auftretenden "reaktionen" nimmt das pferd nicht mehr wahr... ein eeg würde nur noch eine nulllinie anzeigen.
die t61-spritze ist eine mischung aus narkotikum, muskelrelaxans und nervengift, es wirkt durch lähmung von atem- und herzmuskulatur. wenn das narkotikum das pferd nicht ausreichend betäubt, ist es für mich vorstellbar, daß das pferd den tod bewußt miterlebt... auch wenn es wegen der medikamentösen narkose sein entsetzen darüber nicht mehr durch zappeln o.ä. äußern kann.
daher bin ich für das "ablegen" durch den bolzenschuß.
Andrea Simbeck
25.09.01
Hallo Silvia Frevert,
über das "unerklärliche" Phänomen des Tabu´s in Sachen Pferdefleischverzehr ist mir eine weitere Version bekannt: Auch schon bei den alten Germanen soll der Verzehr von Pferden verboten gewesen sein, da das Pferd bei den Germanen ein heiliges Tier darstellte. Ein Indiz dafür sollen die vor allem in Norddeutschland häufig anzutreffenden gekreuzten Pferdeköpfe an den Giebeln sein. Damals wurde angeblich beim Hausbau ein Pferdeschädel in den Giebel eingebaut, um böse Geister oder Unglück fernzuhalten. Ob die Tiere dafür rituell getötet wurden oder nicht, ist mir leider unbekannt.
Servus, Tom Richter
28.09.01
Kommentar zu Seite /130.01/Leserbriefe
2001-09-28 00:20:25
Fleischkonsum
Hallo ihr Pferdefreunde
Als ich den Titel zu dem Artikel über Schlachtpferde las, dachte ich zuerst "oh Gott, nicht schon wieder eine Hetze gegen Fleischkonsum." Beim lesen des Artikels wurde ich allerdings positiv überrascht. Er ist sachlich und professionel geschrieben. Vielen Dank für den mutigen Bericht. Ich glaube nämlich nicht das viele Leser die Problematik aus dieser Sicht sehen.
Nun habe ich noch einige Bemerkungen über das Thema und auch zu Licornos Kommentar.
Ich kenne eine Weide auf der Schlachtfohlen zusammen mit ihren Müttern stehen. Sie wachsen in der Herde mit Altersgenossen auf, und geniessen ihr Leben auf einer grossen Weide mit Bäumen und allem was dazu gehört. Müsste ich zwischen einem Leben auf dieser Weide und einem Leben als ein von seinem Besitzer ach so geliebtes Reitpferd wählen, würde ich zehnmal lieber eines dieser Fohlen sein.
Ich habe vor kurzem mit dem Reiten angefangen und habe lange nach dem richtigen Stall gesucht. Ich habe ein bisschen in die Szene reingeschnuppert und div. Reitställe und auch Turniere besucht.
Nun, ich wohne auf einem Bauernhof und muss sagen dass es mir nie in den Sinn käme eines unserer Tiere so zu behandeln wie ich das z.T. gesehen habe.
Bei uns wird keine Kuh mit Gerte und Sporen traktiert und unsere Schweine haben mehr Auslauf als so manches Pferd. Zudem können alle Tiere wählen ob sie lieber drinnen oder draussen sein möchten. Die Kühe leben im Laufstall und sind nicht angebunden.
Keines unserer Tiere ist verhaltensgestört.
Schauen Sie aber mal in einen x-beliebigen Reitbetrieb und zählen dort die Pferde die entweder Koppen, webben, nur noch Kommandomaschinen sind oder so agressiv, dass sie direkt Lebensgefährlich sind.
Ich verabscheue Tierquälerei aufs tiefste und finde Tiertransporte über hunderte von Kilometern das letzte. Daraus ziehe ich die Konsequenz, dass ich Produkte aus der Region und Fleisch aus artgerechter Haltung kaufe.
Somit unterstütze ich die Leute die sich aktiv für eine intaktere Umwelt einsetzen.
Einfach nur zu schreien das Fleischproduktion und -konsum verboten gehört ist sehr einfach und auch publikumswirksam. Aber sich die Zeit und auch das Geld zu nehmen sich vor dem Kauf zu informieren (gilt auch in Restaurants),dass tun immer noch viel zu wenig Leute.
Ich hoffe aber auch, dass diese Tierschützer nie in ein Land in die Ferien fahren in dem die Tiere nicht so gut gehalten werden wie bei uns. Und ich hoffe weiter, dass Ihr auch nie ans Meer fahrt. An diese Müllkippe der Zivilisation in der sukzessive die Lebensräume von Tieren und Pflanzen zerstört werden.
Denn damit würdet ihr dieses tun nur unterstützen.
Zu Licorno möchte ich noch sagen, dass mir das leid tut wegen dem Pflegepferd. Das war bestimmt ein trauriges Ereignis.
Es geht aber nicht in allen Schlachthöfen zu wie in den Fernsehbildern zu sehen ist. Ich war selber schon drin und es ist kein schöner Anblick. Das bestreitet auch niemand. Aber was ich selber gesehen habe, war ein ruhiges professionelles Arbeiten. Die Tiere haben echt nicht gelitten und sie konnten die toten Tiere weder sehen noch hören.
Schwarze Schafe gibt es wie in jeder Branche natürlich auch hier. Aber die können nur dann wirksam bekämpft werden wenn die guten unterstützt werden. In diesem Sinne
Andrea Schuler
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