Leserbrief 387 20.09.01
Unschön das Thema diese Woche, allerdings passend zur allgemeinen, absolut deprimierenden und traurigen Lage...
Es mag sein, daß nichts gegen Pferdefleisch spricht, aber mir persönlich kommt es da hoch. In mir sträubt sich alles dagegen. Allerdings versuche ich auch sonst, den Fleischkonsum einzuschränken, überlege bei jedem Stück Leder, ob es wirklich nötig ist oder ob es auch einen Ersatz gibt.
Viele sagen ja, die Pferde merken nicht, wohin es geht. Ich habe da Zweifel. Als mein Pflegepferd 1997 zum Metzger ging (eine Entscheidung, die ich nicht unterstützte), wollte er, der sonst immer brav in den Hänger stieg, schon mal nicht in den Transporter. Zu viert standen wir da und redeten auf ihn ein. Um zu verhindern, daß er zuletzt noch eins mit dem Besen kriegte, versuchte ich es und schließlich ließ er sich überreden, mit mir � und nur mit mir allein! � in den Hänger zu steigen. Sie können sich sicher vorstellen, daß ich mich wie ein Verräter fühlte, denn er war doch mein Freund und ging nur mit, weil er mir vertraute! Es schmerzt bis heute.
Es wird auch behauptet, daß nach dem Bolzenschuß das Pferd sofort bewußtlos wäre. Im ZDF war vor zwei Jahren eine Filmaufnahme zu sehen, wo ein Pferd nach dem Bolzenschuß noch aufrecht stand und schrie wie eine Sirene. Das arme Tier versuchte voller Entsetzen wegzulaufen, was auf dem glatten Boden der Tötungsbox natürlich unmöglich war. Mir standen die Haare, als ich das sah.
Ein zweites Pferd war in einer Box angebunden und hatte ungehinderten Ausblick auf die bereits getöteten Pferde. Ich habe noch nie so panische Augen gesehen. Soviel dazu, daß die Tiere nichts wüßten.
Ein Pferd, das eingeschläfert wird, mag eventuell noch zucken, aber es ist dann schon weit weg und merkt nichts mehr � wenn es richtig gemacht wird!
Was die Haflinger- und beispielsweise auch Freiberger-Fohlen und viele Kaltblüter angeht, halte ich die Zuchtpolitik schlicht und einfach für Schwachsinn. Wenn man nur für die Metzger züchtet, kann man� s auch gleich bleiben lassen! Es ist zwar sicher korrekt, daß eine gewisse Anzahl Tiere geboren werden muß, damit Geld verdient wird, aber dieses Geld kann man auch durch Pensionspferde bekommen. Oder auch, indem man Gnadenbrotpferden einen Platz bietet. Auf dem Hof, wo mein Pony lebt, gab es dieses Jahr nur drei eigene Fohlen. Aber es gibt circa 50 Einsteller, davon circa zehn aktive Reiter, drei fremde Fohlen von diesem Jahr, eine Jungstuten-, Junghengste, Mutterstuten-Gruppe mit jeweils fremden Pferden dabei und nicht zuletzt acht bis vierzehn Gnadenbrotpferde, von denen das älteste 33 Jahre (!) alt ist. Die alte Dame muß übrigens durchaus nicht auf die Koppel getragen werden � ganz im Gegenteil! Da muß man froh sein, wenn man noch mitkommt.
Auf diese Art trägt sich der Betrieb auch, ohne das man massenhaft Fohlen in die Welt setzt, die keiner braucht. Das könnte auch bei Kaltblutzüchtern, die eine Zucht aufbauen, funktionieren, wenn man bereit ist, eine gewisse Vielfalt an Rassen auf seinem Hof zu akzeptieren, die eventuelle Einsteller nun mal mitbringen. Mein Pferd lebt als Norweger-Araber-Mix auf einem Trakehnergestüt mit Württembergern, Trakehnern, Arabern, Haflingern und Friesen. Auch einen Appaloosa habe ich bei den Junghengsten schon gesichtet. So eine Art vereinte Nationen auf vier Hufen. Ich könnte mir vorstellen, daß viele Kalblutbesitzer auch froh wären, Ihren etwas größeren Equiden bei einem Kaltblutzüchter unterzustellen � der wäre auf die Dimensionen, die manche dieser liebenswerten Pferde nun mal haben, auch entsprechend eingerichtet.
Ich finde, es ist auch viel zu einfach, ein Pferd beim Metzger loszuwerden. Wenn man ein gesundes Kleintier beim Tierarzt einschläfern will, bekommt man zu Recht Ärger. Wenn man sein Pferd nicht mehr will, kann man es einfach zum Metzger bringen � ist das korrekt? Nein. Pferde stehen als sowohl Haustiere als auch Nutztiere gesetzlich in einer Grauzone.
Vielfach muß ich mir aus Nichtreiterkreisen anhören, daß Reiter doch nur Pferde verheizen und dann das Tier wegwerfen. Darüber und auch über das katastrophale Image, das Reiter außerhalb von Reiterkreisen haben, sollte man mal nachdenken. Bei einem Briefwechsel mit einem Tierschützer erwähnte ich mal das Thema und es kam der erstaunte Satz zurück, daß er auf den Gedanken, ein Pferd schlachten zu lassen, nie kommen würde.
Das zeigt doch auch, daß das Pferd für viele eine gewisse Mystik hat. Wer kennt nicht die kleinen Mädchen, die das Pferd mit den Augen verschlingen, wenn man vorbeireitet? Oder der ältere Herr, der vielleicht früher auch geritten ist und nun fragt, ob er mal streicheln darf? Ein Landwirt sprach mich mal an und tätschelte voller Begeisterung an meinem Pony herum, während er mit einem verräterischen Glanz in den Augen erzählte, daß er früher auch Pferde gehabt hätte. Die wenigsten denken beim Anblick eines Pferdes an Schnitzel, sondern an die Faszination dieser Tiere.
Es gibt übrigens durchaus auch Fälle, wo sogenannte Nutztiere (ich hasse diesen Begriff, denn das Nutztier an sich gibt es genausowenig wie die Milchkuh!) dem Metzger entgehen. Die Animals Angels haben beispielsweise einige Schweine vor dem Schlachter gerettet, die nun auf entsprechenden Höfen ein hoffentlich saustarkes Leben führen. Für diese Tiere werden auch Paten gesucht. Im neuen Tierschutzkalender 2002 vom Echo-Verlag ist eine anrührende Geschichte über ein Schaf, das als Haustier lebt. Es gibt noch mehr schöne Beispiele.
Und sollte es nicht so sein, daß man die Situation von Kuh, Schwein, Huhn und so weiter verbessert, anstatt die Situation von Pferden (und natürlich auch Eseln und anderen Equiden) zu verschlechtern? Daß man sich überlegt, ob es heute unbedingt Fleisch sein muß? Solange man immer noch nach dem billigsten Fleisch Ausschau hält, werden die Zustände, die zu BSE und MKS geführt haben, bleiben. Und wenn Pferde auch auf dem Status der Nutztiere stehen, werden sie auch in der Massentierhaltung landen � mit allen Nachteilen. Die Lebendtransporte sind ja schon ein Nachteil, den sie mit Rindern, Schafen, etc. teilen müssen, weil die Gesetzgebung pennt.
Für mich steht jedenfalls fest, daß mein Pony nicht zum Metzger kommt. Ich hoffe, bis dahin ist es leichter, ein Pferd verbrennen zu lassen, Einäscherungen werden ja vereinzelt schon angeboten. Ich werde doch nicht das Tier, mit dem ich jahrelang Freud und Leid geteilt habe, schlachten lassen! Meinen Hund habe ich schließlich auch nicht in die Bratröhre geschoben.
Liebe Grüße
Licorno Der einzige, der den Ozelotpelz wirklich braucht, ist der Ozelot. (Bernhard Grzimek) |