Gohl, Christiane
Julia und der Pferdeflüsterer Für Kinder ab 10 Jahren und alle Fans der Julia-Reihe
144 Seiten, gebunden Stuttgart, 1999 · Kosmos Verlag, Stuttgart ISBN 3-440-07659-8
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Der Verlag sagt über das Buch:Julia ist in heller Aufruhr: Der neue Vorstand des Reitvereins sorgt für frischen Wind und hat den berühmten Pferdetrainer Jonathan Wenders engagiert. Von seiner Methode schwärmt Julia schon seit langem. Als sie an einem von Wenders Reitkursen teilnehmen darf, scheint ihr Glück perfekt. Doch dann entwickelt sich alles ganz anders als erwartet...
Christiane Gohlbeschäftigt sich seit ihrem zehnten Lebensjahr mit Pferden und reitet in vielen Disziplinen. Pferdefreundliches Reiten und artgerechte Haltung sind ihr dabei besonders wichtig. Das besondere Interesse der erfolgreichen Autorin gilt jungen Pferdefreunden und Reitern. Für sie hat Christiane Gohl schon viele erfolgreiche Bücher zum Thema Pferd geschrieben.
Klappentext: Ein neuer Vorstand stellt den Reitverein auf den Kopf. Herr Hannemann will frischen Wind in den Schulbetrieb bringen und engagiert einen neuen Reitlehrer nach dem anderen: Achmed, den marokkanischen Turnierreiter, Pit Hüpfer als Lehrer für gewaltloses Reiten - und Jonathan Wenders, den berühmten Pferdetrainer. Julia ist ganz aus dem Häuschen, als sie davon erfährt. Von Wenders Methode schwärmt sie schon seit langem. Als sie dann an seinem Kurs teilnehmen darf, scheint für Julia das Glück perfekt - doch dann entwickelt sich alles ganz anders, als erwartet...
Bereits erschienen:
- Ein Pflegepferd für Julia
- Julia und das weiße Pony
- Julias erster Wanderritt
- Julia und das Springpferd
- Ein Traumpferd für Julia
- Julia und ihr Fohlen
- Julia - Aufregung im Reitverein
- Julia - Ferienjob mit Islandpferden
- Julia und der neue Dressurstar
- Julia - Neue Pferde, neue Freunde
- Julia - Ein Pferd für zwei
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Die Reihe wird fortgesetzt.
EXTRA: Kleines illustriertes Reiterlexikon
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Meine Meinung zu dem Buch: von Werner Popken
Mit dieser Buchbesprechung berücksichtige ich eine ganz wichtige Gattung, die bisher überhaupt nicht erwähnt worden ist: Bücher für jugendliche Leser.
In diesem Falle müßte man wahrscheinlich sagen: Bücher für jugendliche Leserinnen. Denn wahrscheinlich werden diese Bücher selten von männlichen Wesen gelesen, weshalb sie sich auch gar nicht an diese wenden.
Meine eigenen Töchter haben Bücher dieses Genres natürlich ebenfalls verschlungen. Der Schneider Verlag, sonst gar nicht den Pferden verpflichtet, ist auf diesen Markt spezialisiert - soweit ich weiß, sind alle einschlägigen Bücher aus unserer Bibliothek von Schneider, und so war ich denn erstaunt, als ich feststellte, daß Kosmos hier ebenfalls mitmischt.
In bewährter Manier werden diese Bücher nicht einzeln geschrieben, sondern gleich als Reihe konzipiert. Als dieses Buch erschienen ist, gab es schon elf davon, und weitere sind geplant. Außerdem ist das nicht die einzige Reihe im Kosmos Verlag. Der Markt für diese Art Bücher muß also groß, stabil und ergiebig sein.
Man kann das leicht nachvollziehen. Diese Bücher sind realistisch. Sie liefern den Lesern Stoff für die Phantasie, sind Identifikationsvorlagen. So könnte es sein, wenn man selbst in der glücklichen Lage wäre, in der die Helden sich befinden.
Deshalb müssen diese Bücher auch realistisch sein. Und da die Realität sich laufend ändert, können die Reihen nicht ewig halten, sondern müssen immer wieder neu geschrieben werden.
Pferdeflüsterer z. B., die gab es doch vor gar nicht allzu langer Zeit noch nicht. Das berühmte Buch von Klaus Ferdinand Hempfling "Mit Pferden tanzen" hat eine Bewegung initiiert, oder war vielmehr das erste Anzeichen für eine Zeitströmung, deren Ende noch gar nicht abzusehen ist.
Die Hauptgeschichte dieser Woche gehört ebenfalls zu dieser Bewegung und zeigt sehr schön, wie alles im Fluß ist, auch für die Anführer selbst.
Die Bücher sollten aber nicht nur die Realität widerspiegeln, sondern sie auch verantwortlich verarbeiten, denn sie sind zweifellos bewußtseinsbildend. Wird dieses Buch von Christiane Gohl dem Anspruch gerecht?
Der Verlag betont, daß Christiane Gohl sich als Autorin für die Pferde einsetzt, also Bewußtseinsarbeit leistet, und man kann erwarten, daß sie die Gelegenheit, über die Leser-Identifikation direkt auf die jungen Menschen einzuwirken, nicht ungenutzt verstreichen läßt.
Diese Erwartung wird nicht enttäuscht. Die Autorin springt gleich mitten ins wirkliche Leben. Hier wird keine Idealwelt vorgestellt, es beginnt mit Frustration:
Brr, ist das kalt! Ich wäre auf dem Ausritt fast erfroren! | |
Immerhin: wer hier ich sagt, hat gerade einen Ausritt hinter sich - wer kann das schon sagen? Damit wird schon signalisiert, daß man dort, wo Julia lebt, Ausritte machen kann. Der nächste Satz ist wieder ein Paukenschlag:
Nickie stoppte ihre Pferde neben dem Reitplatz, auf dem Julia gerade mit ihrem jungen Wallach Coffee arbeitete. | |
Da ist also unsere Julia, die einen jungen Wallach besitzt, mit dem sie arbeitet! Und Nickie hat nicht nur ein Pferd, sondern mehrere! Ganz wie im wirklichen Leben, nicht wahr?
So sollte es jedenfalls sein, in einer idealen Welt, wie junge Frauen sie sich ausdenken. Rollenspiele nennt man das, und selbstverständlich haben meine Töchter ebenfalls jahrelang Rollenspiele inszeniert, in denen die wirkliche Welt probehalber ausgelotet wurde, ohne sich von der Wirklichkeit Fesseln anlegen lassen zu müssen.
Frustrationen gehören nicht nur im Leben, sondern auch bei Romanen dazu. Sie treiben die Geschichte an, bauen Spannung auf, bringen Farbe, nicht zuletzt sind sie die Angriffspunkte, die für die Identifikation gebraucht werden. Wenn alles immer nur glatt laufen würde, wäre es langweilig.
Ich kann mich noch gut erinnern an die Comics in der Wendy, die ich regelmäßig gelesen habe, bevor sie für das Fernsehen entdeckt wurden (meine Töchter haben sich gewundert). Ich fand es bewundernswert, wie die Autoren zweimal im Monat neue Probleme ausgruben, die dann innerhalb der Geschichte bewältigt werden konnten.
Julia hat denn auch Probleme mit ihrem jungen Wallach. In einem Buch hat sie sich für neue Ausbildungsmethoden begeistern lassen, und der Gaul tut nicht, was er soll. Sehr gut! Wer kann sich nicht damit identifizieren?
Nebenbei beschreibt Christiane Gohl sehr genau das Verhalten der Pferde. Wer nichts über Pferde weiß: hier kann er schon auf der ersten Seite eine ganze Menge lernen. Auf der zweiten Seite springen wir mitten in das Thema dieses Buches.
Nickie wundert sich, was Julia da tut, und diese erläutert:
"Bodenarbeit. Die Alpha-Methode, nach Jonathan Wenders. Körpersprache, du weißt schon. Aber es klappt nicht so richtig. Er geht nicht vorwärts, wenn ich ihn von hinten treibe." | |
Kann man die Realität beschreiben, ohne auf sie Bezug zu nehmen? Das geht wohl nicht. Also wird hinter Jonathan Wenders und seiner Alpha-Methode jemand stehen, den wir alle kennen. Natürlich verfremdet, so daß rechtliche Probleme außen vorbleiben. Vielleicht verschmelzen auch mehrere Personen und mehrere Methoden, aber das tut nichts zur Sache. Wir wissen schon, was gemeint ist, und so ist das ja auch gemeint.
Das Buch entbehrt nicht der komischen Züge, wie man aus dem vorigen Zitat schon entnehmen kann. Die Beschreibung einer Pferdemesse im sechsten Kapitel ist köstlich. Dort hat natürlich auch Jonathan Wenders einen Stand, sein Buch wird dort präsentiert, Christiane Gohl hat ihm ein Logo spendiert, ein verschlungenes A, über das Jonathan Wenders auf dem Buchtitel springt, mit einem Palomino - so wird das heute gemacht! Marketing nennt man das.
Schriftsteller haben es gar nicht leicht: sie müssen ein komplettes Konzept erfinden, was noch nicht im Markt besetzt ist, aber trotzdem eine gute Chance hätte, es zum Spitzenreiter zu bringen. Ohne eine gehörige Portion Humor und Erfindungsgeist geht das nicht.
Zwei ausgesprochen hübsche Mädchen betreuten den Stand und versorgten Julia und ihre Freunde freigebig mit Informationsmaterial. [...] "Doch, der Jonathan macht schon noch selbst Kurse - obwohl er seinen Schwerpunkt jetzt natürlich auf die Ausbildung von Alpha-Therapeuten legt." "Alpha-Therapeuten?", fragte Nickie. "Hat man das früher nicht 'Trainer' genannt?" "Schon, aber der Jonathan findet, 'Trainer' klingt so nach Leistungsdruck. Und wir wollen doch eins werden mit dem Pferd: Eins werden heißt heil werden. Das hat schon einen therapeutischen Aspekt." Das Mädchen zeigte einen verklärten Gesichtsausdruck, wenn es von Jonathan Wenders sprach. "Die Kurse von dem Jonathan sind natürlich bis nach Weihnachten ausgebucht. Aber wenn ihr wollt, setze ich euch auf die Warteliste." Julia wollte natürlich. Die anderen sagten dazu nichts. Sie brachen erst nach Verlassen des Standes in schallendes Gelächter aus. "Der Jonathan wird uns alle in die ewige Seligkeit geleiten!", imitierte Gloria das Mädchen. "Wenn der Jonathan ihn anfasst, wird jeder Wallach wieder zum Hengst!", kicherte Nickie. "Eins, zwei,drei, mit Pferden reich werden!", fügte Olaf trocken hinzu. "Ich fasse es nicht. Diese Tussies sind völlig durchgedreht." | |
Das kann Julia natürlich nicht gefallen. Schon geraten sie in die Vorführung eines gewissen Kim Robertson.
"Seine Anhänger und Freunde nennen ihn den 'Magier mit Pferden'!" "Der nächste Guru!", lachte Gloria hinter Julia. Die anderen waren ihr gefolgt. "Für alle, die mehr auf dunkle Typen stehen." Kim Robertson war groß, schlank, tief gebräunt und trug sein langes, schwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Während er eintrat, lief ein Band mit 'A Kind of Magic' von der Rockgruppe Queen. Das Pferd, mit dem er arbeitete, war ein Friesenhengst. "Warum es bloß immer Hengste sein müssen?", fragte Nickie provozierend. "Ist doch klar!", sagte eine Stimme von hinten, die Julia bekannt vorkam. "Die Jungs lassen den ganzen Quatsch eher mit sich machen und sehen dabei auch noch toll aus. Eine Stute würde sich in die Ecke stellen und den Kerlen die Zunge zeigen!" "Stephanie!", rief Julia. Ihre alte Freundin stand hinter ihnen und lachte. Stephanie lästerte mit Leidenschaft, den Kommentar hatte sie sich nicht verkneifen können. | |
Die Kunden von Amazon haben dieses Buch mit durchschnittlich fünf Sternen bewertet. Mehr geht nicht.
Eine ausführliche Rezension kommt von einer Mitarbeiterin von IBM, wie man an der E-Mail Adresse sehen kann. Diese erwachsene Frau hat alle Bücher aus der Julia-Reihe gelesen und ist ganz begeistert davon.
Ich kann das nachvollziehen. Sie vermutet, daß Stephanie die Autorin selbst ist. Das wird wohl so sein. Jetzt verstehe ich den "Untertitel" des Verlags, der offenbar weiß, daß die Reihe viele Fans hat jenseits der eigentlichen Zielgruppe.
Man verachte die Jugendbuch-Autoren nicht! Normalerweise werden diese Bücher nicht zur Literatur gezählt und nur ausnahmsweise von Erwachsenen zur Kenntnis genommen. Die Bücher von Michael Ende sind so eine Ausnahme seit dem Erfolg von Momo. Aber schon die früheren Arbeiten wie "Jim Knopf" sind hochinteressant.
Durch die Kinder habe ich eine ganze Reihe von Produktionen kennengelernt, die auch mich beeinflußt haben. Die nächste Gelegenheit, Einblick in diesem Bereich der literarischen Produktion zu erhalten, werde ich wahrscheinlich erst durch meine Enkel bekommen.
Wenn man Einfluß ausüben, Wirkung hinterlassen will, hat man als Kinder- oder Jugendbuch-Autor wahrscheinlich wesentlich bessere Chancen, wird aber mit Sicherheit nicht so leicht berühmt. Man wirkt eben mehr im Verborgenen. Erwachsene bekommen von dieser Arbeit normalerweise nichts mit.
In gewisser Weise ist sie vergleichbar mit derjenigen eines Pädagogen. Hier werden Menschenbilder geformt, hier wird unmittelbar Einfluß ausgeübt. Das ist schwierig, denn man muß den Nerv der Leserschaft treffen. Ich hätte keine Ahnung, was die jungen Mädchen umtreibt. Ganz abgesehen von intimen Kenntnissen der Reitszene.
Christiane Gohl ist da ganz in ihrem Element. Zur Illustration zitiere ich trotz der Länge ausführlich die Schilderung der Vorführung von Kim Robertson mit der anschließenden Bewertung von Stephanie und dem Reitlehrer Holthoff, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Einfach köstlich!
Die Autorin erfindet mit Kim Robertson eine weitere Kunstfigur samt Marketingkonzept, und die ganze Sache ist so überzeugend und realitätsnah, daß man sich fragt, ob die Ironie und Komik nicht schon bei den Vorbildern sichtbar ist. Hat das noch niemand bemerkt? Das Leben selbst erscheint durch die Erfindung als Satire. Sowas nennt man wohl Realsatire.
Der Arbeitsbereich für Kim Robertson war mit Hindernisstangen abgesteckt. Er bevorzugte offensichtlich das Dreieck. "Das Dreieck", erklärte er, "ist ein magischer Bereich. Sowohl das Pferd als auch ich finden hier ihren Zufluchtsort. Sie sehen, daß der Hengst sich sofort seine Ecke ausgesucht hat, ich nenne sie jetzt den animalischen Bereich. Und ich wähle mir diese Ecke und erkläre sie zum Menschenbereich. Die dritte bleibt neutral. Wir werden uns jetzt durch systematischen Wechsel geistig einander annähern. Der Hengst erfährt meine Kraft und Dominanz, die mir das Recht gibt, ihn aus seiner Ecke zu vertreiben, aber ich akzeptiere auch seine Ausstrahlung. Letztlich unterwirft er sich meiner Macht, signalisiert durch den magischen Stab, mit dem ich ihn durch die Ecken lenke..." Der magische Stab war eine zweifarbige Longierpeitsche ohne Schlag, dafür mit einem blinkenden Dreieck am Ende versehen. Der Hengst fixierte unweigerlich das Dreieck und folgte ihm aus einer Ecke. Kim lenke das Pferd von einer Ecke in die andere und bewies dabei beachtliches Geschick im Umgang mit dem Hilfsmittel. Julia war beeindruckt. "Müßte ich das jetzt verstehen?" fragte Herr Holthoff Stephanie. "Ich meine, wo liegt der Sinn des Ganzen?" "Also auf den ersten Blick würde ich ja sagen, es dient dem Portemonnaie des Meisters", lachte Stephanie. [...] "Aber körpersprachlich ist er perfekt", verteidigte Julia den 'Magier'. "Er treibt total exakt. Ganz ähnlich wie Jonathan Wenders." "Klar ist er geschickt", räumte Stephanie ein. "Das sind die alle. Gestern haben wir einen gesehen, der mit einem langen Strick arbeitete. Wenn ich das versuchen würde, läge ich wahrscheinlich nach drei Minuten gefesselt am Boden. Aber die Frage ist doch, was das alles bringt. Schließlich will ich kein Diplom als Schlangentänzerin erwerben, sondern ein Pferd zum Reiten ausbilden. Wird seit 6000 Jahren gemacht. Mit Strick, ohne Strick, mit Gebiß im Maul, ohne Gebiß im Maul, mit Gewalt, ohne Gewalt. Du kannst mir glauben, Julia, daß die Menschheit in 6000 Jahren so ziemlich alles ausprobiert hat, was sich machen läßt! Das Dreieck als Reitplatz hat sich dabei nicht bewährt. Genauso wenig wie die Ellipse. Obwohl die ja wenigstens keine Ecken hat und damit nicht so gefährlich ist. Wenn die Anhänger von diesem Clown da ihr Problempferd in eine Ecke treiben, gerät es womöglich in Panik und schlägt zu." "Und als Pferdeausbildung würde ich das sowieso nicht bezeichnen", fügte Herr Holthoff hinzu. "Wie ich das so sehe, kommen diese Leute nie weiter als allenfalls zum ersten Aufsteigen. Aber da fängt die Arbeit doch erst an. Anreiten, Lenken, Gymnastizierung - ganz zuletzt die hohe Schule. Hast du jemals einen von den Typen eine Piaffe reiten sehen?" "Klar, auf Fotos: Jonathan Wenders!", antwortete Julia, erleichtert, daß ihr Idol den Ansprüchen genügte. "Laß mich mal raten", warf Stephanie ein. "Er saß auf einem Palomino, so einem mittelgroßen Hengst, Arabertyp, etwas spanisch angehaucht und mit den Namen Leonardo? Den hat Nina Windhammer ausgebildet, die Zirkusreiterin. Mit der hatte der liebe Jonathan nämlich mal eine heiße Affäre. Das Pferd macht alles, klar. Aber das macht es auch mit dir, Julia, oder mit mir. Um Leonardo vorzustellen, braucht man keine Wunderkräfte." Stephanie wußte mal wieder mehr als alle anderen. Sie arbeitete für eine Pferdezeitschrift und erfuhr immer sehr schnell, was in der Szene vorging. | |
So so! Wie gut für den Leser, daß die Autorin des Buches noch mehr weiß! Im Rahmen eines Romans kann man viele Dinge locker ausplaudern, die man in einer Pferdezeitschrift so nicht bringen könnte. Das macht Schlüsselromane so ungemein interessant, und dies ist ein Schlüsselroman.
Ich nehme einmal an, daß die anderen Romane der Reihe ebenso realitätsnah sind. Aufgrund dieser Stichprobe würde ich jedes Buch der Reihe bedenkenlos empfehlen. Die Story ist vermutlich ebenso wie hier jedesmal auch ein Anlaß, problematische Situationen zu entwickeln und handfestes Wissen weiterzugeben.
Das auf dem Rücken erwähnte illustrierte Reiterlexikon (eine wunderbare Idee!) macht das sehr deutlich. Im Buch kommen ja viele Pferde vor, und diese Pferde gehören unterschiedlichen Rassen an. Im Reiterlexikon werden diese Rassen angesprochen und mit den im Buch vorgestellten Individuen in Bezug gesetzt.
Hier wird die Autorin auch noch einmal ernst und spricht selbst die Komik in der Beschreibung der Methoden der beschriebenen, erfundenen Pferdeflüsterer an, wobei sie die Realität für noch komischer hält als ihre Erfindungen. Sie rät also zur Skepsis und empfiehlt die klassischen Methoden.
Dazu habe ich zwei Anmerkungen: einmal lassen die klassischen Methoden offenbar zu wünschen übrig, denn sonst hätten die sogenannten Pferdegurus nicht so einen großen Zulauf. Ich verstehe bei weitem nicht so viel von der Sache wie Christiane Gohl, habe aber doch den Eindruck, als ob die Pferdegurus durchaus Neues ins Gespräch gebracht hätten, was entweder in den 6000 Jahren vorher so noch nicht gesehen wurde oder aber in der Zwischenzeit verschüttet worden ist und neu entdeckt werden muß.
Ich denke, Christiane Gohl könnte mit Leichtigkeit Spitzenpersönlichkeiten aus den klassischen Disziplinen mit ebenso viel Lust und Berechtigung durch den Kakao ziehen. Das wird aber wegen der Dramaturgie unterschlagen, fürchte ich. Der Erfolg der Gurus speist sich zu einem guten Teil aus der Unzufriedenheit mit den klassischen Methoden. Im übrigen ist festzustellen, daß auch die klassischen Methoden wiederentdeckt und propagiert werden müssen.
Zum anderen glaube ich, daß es weniger um das Pferd als vielmehr um den Menschen geht, wobei die Methode zweitrangig ist. Aber wem sage ich das? Die Schriftstellerei ist ausgesprochene Menschenbildnerei, durch das Beispiel werden die Figuren zu Vorbildern und der Leser wird geformt. Insofern stellt sich die Frage, ob der Reitlehrer nicht vielleicht mehr durch sein Vorbild als durch seine Methode wirkt. Die herkömmlichen Reitlehrer haben anscheinend in dieser Hinsicht ziemlich versagt.
Aber nicht nur die Reitlehrer. Ich werde nie vergessen, wie das Landgestüt Celle im Frühjahr 1999 einen Teil seiner Hengste im Vorharz den Züchtern vorstellte und diese dann stolz ihre Produktion. Man würde nicht meinen, daß man es mit Pferden zu tun hätte. Es waren wilde Tiere, die kaum gebändigt werden konnten, vor denen die Vorführer Angst hatten, und tatsächlich gab es sogar eine gefährliche Situation. Ich fühlte mich während der gesamten Veranstaltung entsetzlich unwohl. Mit dieser Szene wollte ich nichts zu tun haben.
Das ist aber auch nicht die Realität der Julia-Romane. Da haben die Mädchen ihre eigenen Pferde, sogar ihren eigenen Reitplatz. Wieso sind die dann noch im Reitverein? Meine Töchter haben den Reitverein sofort verlassen und vergessen, als sie endlich eigene Pferde bekamen. Denn der Reitunterricht, den sie viele Jahre lang genossen haben, hat ihnen nicht besonders gut gefallen, und über die Reitlehrer habe ich so manche Klage gehört.
Interessanterweise sind meine Kinder an Gurus überhaupt nicht interessiert, aber desto mehr an ihren Pferden. Und mit denen gingen sie von Anfang an so wunderbar und selbstsicher um, daß ich mich frage, woher sie das alles gelernt haben. Vielleicht aus einer dieser Reihen?
Anm.: Die Zitate sind im Original in der neuen Rechtschreibung. Ich habe es eine Weile damit probiert und mich entschieden, es wieder zu lassen, jedenfalls einstweilen. | |
Lesermeinung10.07.02
Hi Werner!,
mit Freude habe ich Deine Rezension des Julia-Buches gelesen. Ich kenne (fast) alle Bücher der Reihe und habe sie mit Begeisterung verschlungen, aber nicht als ich ein pubertierendes Mädchen war, denn damals habe ich Mädchen-(Pferde-)Romane nicht einmal mit Glacée-Handschuhen angefaßt.
Ich kam mit Christiane Gohl in einen eMail-Kontakt, weil ich eine Nachfrage zu einem Artikel von ihr in der Pegasus hatte und bei der Redaktion bat, meine Nachfrage an Sie weiterzuleiten. Im Zuge dieses Hin-und-Hers stellte sich dann heraus, daß sie auch Pädagogin ist (Kompliment zu Deiner Einschätzung) und sie ihre Dissertation über die Träume von Mädchen und jungen Frauen geschrieben hat. Als ich dann neugierig recherchierte, was sie bisher veröffentlicht hat, habe ich mutig alle Bände bei Kosmos bestellt -- auf das Risiko hin, alle Bücher an Pferdemädels verschenken zu müssen. ABER WEIT GEFEHLT: erst habe ich sie verschlungen, dann mein damals neunjähriger Sohn und auch mein Freund. Wir lieben sowohl die komischen (realsatirischen) Momente, aber auch ihre große Kenntnis in verschiedenen Bereichen der Reiterei, Pferdehaltung etc. Denn -- als Trost -- auch die herkömmliche Reiterei kommt in der Kritik nicht zu kurz (außer vielleicht bei diesem Band, weil der Fokus hier auf die Guruszene gerichtet war). Wenn sie die "klassischen" Methoden lobt, dann meint sie nicht einfach die "herkömmlichen". Und die klassischen Methoden werden bei ihr auch gelegentlich differenziert vorgestellt -- wie sagtest Du treffend: "Im übrigen ist festzustellen, daß auch die klassischen Methoden wiederentdeckt und propagiert werden müssen.".
Eine Kritik habe ich aber dennoch, die allerdings nicht nur sie allein betrifft: Die Vorbilder in diesen Büchern (wie auch Fachzeitschriften, mit Ausnahme von Deiner) machen nie etwas falsch, nicht einmal ein Kleinigkeit. Zunächst dachte ich, das müsse so sein, damit LeserInnen daran lernen können. Inzwischen bin ich aber der Meinung, daß dieses verkrampfte deutsche Bemühen darum, immer alles perfekt zu machen (das erinnert an Deine Rezension neulich mit dem Buch über Pferdekauf), ist der "Freude mit Pferden" absolut abträglich. Die Vorbilder müßten wenigstens kleine Fehler machen, damit auch wir uns erlauben, welche zu machen. Denn Fehler machen wir sowieso. Aber die meisten Pferdeleute gestehen sich nicht einmal Fehler zu, die sie bei ihren eigenen Kindern nicht einmal als Fehler ansehen würden (oder kriegen z.B. unser aller Kinder täglich ein Mineralstoff- und Vitaminergänzungspräparat...?)
Von diesem Punkt einmal abgesehen gibt es viele Bände dieser Reihe, die erstklassig sind -- empfehlenswert sind sie alle: z.B. (die genauen Titel müßte ich nachschauen) geht es in Julia und der Dressurstar um den sexuellen Mißbrauch an dem Pflegemädel, bei Julias erster Wanderritt -- neben anderen Handlungssträngen -- um beziehungsunfähige Erwachsene (auch Vorbild Stefanie!) etc. Übrigens hat Julia auch nicht von Anfang an ein eigenes Pferd, geschweige denn Reitplatz. Allerdings gibt es natürlich mehr nette Menschen und glückliche Umstände als im wirklichen (zumindest meinem) Leben.
Herzliche Grüße Katinka
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Gohl, Christiane
Julia und der Pferdeflüsterer Für Kinder ab 10 Jahren und alle Fans der Julia-Reihe
144 Seiten, gebunden Stuttgart, 1999 · Kosmos Verlag, Stuttgart ISBN 3-440-07659-8
8,50 EUR · Bestellen
Wir versenden i.d.R. versandkostenfrei. Zahlung per Lastschrift (Inland)
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