Bei Niki de Saint Phalle hat der Tod (oder sollte ich sagen: die Todin?) durchaus etwas Erschreckendes, Furchterregendes, trotz der bunten Farben und heiteren Formen.
Der Schädel läßt keinen Zweifel: Gnade ist von dieser Figur nicht zu erwarten. So ist denn auch rings um das Pferd alles umgestürzt, man darf annehmen: niedergemetzelt.
Zwar entbehren die blinde Schlange und der Vogel nicht der Komik, und der Verdacht kommt auf, daß diese beiden vom allgemeinen Sterben verschont geblieben sind, aber der didaktische Hinweis auf die Unparteilichkeit des Todes, der üblicherweise durch hochstehende weltliche und kirchliche Figuren eingebracht wird, fehlt hier. Das Gelumpe am Boden wirkt eigenartig beliebig.
Nur das Pferd spielt seine Rolle perfekt. Festen Schrittes geht es seinen Weg, schaut offen geradeaus und läßt sich von nichts aufhalten.
Hatte die Künstlerin keine klare Vorstellung von der Rolle des Todes? Im Internet stellt sie vor der Abbildung der fertigen Skulptur folgenden Betrachtung an:
Tod, Karte Nr. XIII.
Das große Mysterium des Lebens. Ohne Tod wäre das Leben ohne Bedeutung. Tod, der GROSZE SCHNITTER, läßt neue Blüten sprießen.
Die Todeskarte ist eine Karte der Erneuerung. Sich des Todes bewußt zu sein ist ein Weg, sich nicht von den Eitelkeiten des Lebens gefangennehmen zu lassen. (Meine Übersetzung)
| Death Card No. XIII
The great mystery of life. Without death, life would have no meaning. Death the GREAT REAPER, allows new blossoms to grow.
The card of death is a card of renewal. Being aware of death is a way of not being caught up by the vanities of life. » Death Card No. XIII | | |
Also doch: Der Tod als Voraussetzung für neues Wachstum, aber auch als Mahner im Leben: Bedenke, daß du sterben mußt! Diese Botschaft hört man selten. Der Tod ist in unserer Gesellschaft nicht gern gesehen, kann seine Rolle als Mahner kaum wahrnehmen. Dabei hat sich das Leben selbst in keiner Weise geändert. Wir werden geboren und müssen sterben, und das wird vermutlich auch so bleiben.
Die Konsequenzen dieser Einsicht sind erheblich. Wenn man des Todes gewärtig ist, wird man anders leben. Menschen, die dem Tod geweiht sind, erleben die kurze Zeitspanne, die ihnen noch vergönnt ist, völlig anders als die Zeit davor, die unbegrenzt schien. Dabei läuft die Uhr für alle unerbittlich, bis Gevatter Hein einen jeden von uns abholt. Nichts im Leben ist sicher, es sei denn der Tod.
Quellen
Fotos © Gerd Hebrang
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