| | | | Franz Marc: Zugpferd, 1905 | | | |
| | | | | Franz Marc: Zwei Zugpferde | | | |
| | | | So ungefähr stelle ich mir die Situation von Franz Marc im Jahre 1910 vor. Und sehr schnell bewegt er sich weg aus dieser Gegend, richtet sich nach dem, was andere Leute tun, fühlt sich in der Gemeinschaft besser und verliert sich wieder.
Zwar feiert die gesamte Kunstgeschichte und Kritikerzunft die zunehmende Geometrisierung in der Arbeit des Franz Marc als Fortschritt, aber dem kann ich mich nicht anschließen.
Für mich sind einige wenige Pferdebilder die Höhepunkte seines Schaffens. Hier hat er sich gefunden, hier hat er Großes geleistet, diese Bilder werden die Zeiten überdauern, und der gesamte Rest wird als Frühwerk bzw. verquälte Adaption der Vergessenheit anheimfallen.
Wie konnte das kommen? Wie konnte es sein, daß Franz Marc selbst nicht erkannt hat, wo er sich gefunden hatte, daß er seinen eigenen Weg nicht weiter verfolgt hat, sich die Entdeckungen anderer versucht hat zu eigen zu machen?
Mir liegen die Quellen nicht vor, deshalb muß ich mich auf mein Gedächtnis verlassen, aber ich erinnere mich, in den Lebenserinnerungen von Emil Nolde eine Anekdote gelesen zu haben.
Nolde hatte sich kurzzeitig einer anderen Künstlergemeinschaft angeschlossen (Die Brücke), war aber kein Vereinsmensch, sondern ein ausgesprochener Einzelgänger.
Er war natürlich auch besorgt über die Gefahren und Unwägbarkeiten des Weges, aber er ist nicht der Versuchung erlegen, sich anderen Leuten anzuvertrauen, gar sich selbst zu verraten, um aufgenommen zu sein. Lieber blieb er Einzelgänger und einsam.
Es muß 1912 anläßlich der Sonderbundausstellung in Köln gewesen sein, als er von Kollegen, es mag wohl durchaus Franz Marc gewesen sein, gefragt wurde, wie er denn die strahlenden Farben und die große Leuchtkraft auf seinen Bildern erreichte.
Nolde schaute den Fragesteller mit großen Augen an und sagte: "Ich nehme die Farbe aus der Tube." Mit anderen Worten: ich habe kein besonderes Rezept. Ich arbeite mit denselben Mitteln wie ihr, aber auf meine Weise.
Franz Marc entwickelte sich auch im Richtung leuchtende Farben. Das lag zu dieser Zeit in der Luft. Wenn wir uns die eben erwähnte Studie "Weidende Pferde I" anschauen, so sehen wir, daß in diesem Bild keine einzige Farbe rein "aus der Tube" aufgetragen wurde, im Gegensatz zu den berühmten gelben, blauen oder roten Pferden oder unserem Bild "Pferd in der Landschaft", das angeblich aus dem selben Jahr stammen soll.
Es bedurfte im Jahre 1910 keines besonderen Genies mehr, dies zu tun, denn Vincent van Gogh hatte das alles bereits fünfundzwanzig Jahre vorher getan. In Deutschland war das aber noch durchaus neu.
Das Zugpferd am Anfang dieser Seite ist noch ganz in braun gehalten (so hatte Vincent auch angefangen), aber das Bild mit den beiden Zugpferden hat schon eine völlig neue Farbigkeit, obwohl es in der Malweise noch ganz dem fahrigen Stil des deutschen Spätimpressionismus verpflichtet ist.
Das kleine blaue Pferd steht farblich voll in Blüte, bringt jedoch das Moment der Märchenhaftigkeit ins Spiel, womit eine deutliche Nähe zum Kunstgewerbe, zur Illustration deutlich wird. Man sieht: es ist nicht einfach, Kunst zu machen, überall lauern Gefahren und man überschreitet Grenzen, verläßt das Gebiet der eigentlichen Kunst.
Im Herbst 1912 machte Franz Marc die Bekanntschaft von Robert Delaunay, der den Versuch unternahm, die Kunst mit weiteren Theorien zu beglücken und daraus Kunstwerke abzuleiten (Orphismus). Dieser Einfluß ist deutlich spürbar, und meines Erachtens sieht man auch ebenso deutlich, daß die Werke an Überzeugungskraft verlieren. Der Orphismus selbst ist schon nicht das Gelbe vom Ei.
Die Technik, mit ungebrochenen, leuchtenden Farben zu arbeiten, macht natürlich noch kein gutes Bild. Damit würden wir uns auf der handwerklichen Ebene bewegen, hätten ein Kochrezept, welches garantiert phantastische Kunstwerke produziert. Ganz im Gegenteil: es gibt jede Menge vorzügliche Bilder, die überhaupt keine leuchtenden Farben enthalten. Was wirklich passiert, liegt auf einer völlig anderen Ebene.
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