Sogar das Goethe-Institut beschäftigt sich mit der Weihnachtskrippe, und zwar unter dem Aspekt des Rituals. Die Weihnachtskrippe jedes Jahr aufzubauen, ist ein Ritual und hat seine Wirkungen. Unsere Welt ist arm geworden an Ritualen, wir wissen gar nicht mehr recht, was das ist und was das bedeutet.
Am Beispiel des Weihnachtsrituals der Krippe zeigt das Goethe-Institut die Wirkung. Es wird nichts erklärt, es wird nur beschrieben. Einige wenige Leute zeigen, daß die Krippe in ihrem Leben eine große Rolle spielt, selbst wenn sie schon längst den Kindertagen entwachsen sind.
Auf der Burg Monschau wird ein Krippenspiel aufgeführt ( Lebende Krippe), und jetzt fällt mir ein, daß ich selbst als Schüler an einem Krippenspiel teilgenommen habe. Ich durfte einen Hirten darstellen und habe mir einen weißen Bart umgebunden, einen Hut aufgesetzt, eine Decke um die Schultern geschlagen und mich auf einem Hirtenstab gestützt. Das ist eine andere Art, ein Ritual zu feiern.
Auch Privatleute beschäftigen sich mit Krippen. Hans Gruener zeigt eine Krippendarstellung von Rembrandt, die ganz privat aussieht (Josef werkelt im Hintergrund), als Illustration zu seiner Sammlung von Weihnachtliedern (mehrsprachig, mit Midi), und seit sein Haus fertig ist, baut er Weihnachtskrippen und zeigt eine ganze Reihe davon.
Seine erste Krippe baute er in den sechziger Jahren und sagt dazu: "Viele Jahre stand sie unter dem Weihnachtsbaum. Immer wieder saß ich davor. Bestaunte das Wunder der Heiligen Nacht. Vieles war noch nicht so schön wie bei den heutigen Krippen. Aber der Heiland war gekommen!"
Und endlich entdeckte ich auch den Esel in dieser Krippe. Er gehört einfach dazu.
Für mich ist es wichtig, daß diese beiden großen Tiere, die Kuh und der Esel, im Hintergrund wachen. Eigentlich sollte es ein Ochse sein, wenn ich mich recht erinnere, aber ich habe ganz klar eine Kuh gemacht, eine rotbunte Kuh, wie sie bei uns in Deutschland vorkommt. Ich glaube nicht, daß ich Esel überhaupt bewußt wahrgenommen habe, aber dieser Esel ist mir sofort wunderbar gelungen.
Später habe ich dann einmal einen Holzschnitt gemacht, und eine Frau, die diesen Holzschnitt um die Weihnachtszeit mehr als 1000 Mal eingetütet hatte, wollte von mir wissen, was ich mir dabei gedacht hatte. Sie jedenfalls war sich sicher, daß es sich um die Heilige Weihnacht handeln müsse. Sie hatte nur einige Fragen: warum ist Maria nackt, warum hat die Kuh einen Heiligenschein, warum ist Josef gefesselt und wo ist das Jesuskind?
Ein Esel kommt auf diesem Bild auch nicht vor. Der Holzschnitt hat nicht unbedingt etwas mit der Weihnacht, aber durchaus mit Heiligkeit, mit Zerrissenheit, mit Heilsein, mit dem menschlichen Schicksal zu tun. Die Kuh mit dem Heiligenschein nimmt einen großen Raum ein.
Tiere sind viel weniger der Gefahr der Selbstentfremdung ausgesetzt als Menschen und eignen sich deshalb als Symbole und als Gegenüber. Man kann von Tieren viel lernen. Martina Pegam behauptet: "Tiere leben im meditativen Zustand zwischen Himmel und Erde und das bedeutet Glückseligkeit, selbst mit körperlichen Gebrechen."
Vermutlich sind mir deshalb die beiden Tiere für die Krippe so wichtig. Und wenn Sie es noch nicht gemacht haben: bauen Sie doch auch einmal eine Krippe! Ich bin sicher, es lohnt sich. Vergessen Sie den Esel nicht, er ist wichtig.
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