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Editorial zu Ausgabe 452

 
W. Popken im Fenster
Selbstportrait 08/2004
 
 
25.11.2007

Eilig Geschaft

Die Nigeria-Connection ist ja im Moment nicht mehr ganz so penetrant, dafür gibt es einige interessante Varianten. Man kann Spam ja auch als Teil der Kulturgeschichte sehen, und dann wird dieses Phänomen sehr interessant. Bestimmt gibt es irgendwo jemanden, der alle möglichen Belege sammelt und irgendwann eine ganz vergnügliche oder tiefschürfende Untersuchung vorlegt. Es würde mich nicht wundern, wenn jemand damit einen Doktortitel erwirbt oder sich gar habilitiert.

Dabei ergeben sich auf Anhieb Unmengen von interessanten Fragen. Warum machen diese Leute beispielsweise so offensichtliche Fehler? Beispiel gefällig?

Eilig Geschaftsvorschlag

Darin verbergen sich gleich mehrere Fehler. Erstens heißt es nicht "Geschaftsvorschlag", sondern "Geschäftsvorschlag", zweitens darf es hier nicht "eilig" heißen, sondern muß lauten "eiliger", und drittens wäre die Formulierung "Eiliger Geschäftsvorschlag" als solche auffällig, weil sprachlich nicht ganz korrekt. Ein Geschäftsvorschlag kann einfach nicht eilig sein. Schließlich würde niemand, der einen ernsthaften Geschäftsvorschlag zu machen hätte, einen solchen Betreff wählen. Das sind alles offensichtliche Anmerkungen zum diesem, der ja nur aus zwei Wörtern besteht. Wieviel mehr gäbe es zum eigentlichen Inhalt des "Geschäftsvorschlags" zu schreiben?



Bauernfängerei

Eine solche Häufung von Fehlern sprachlicher Art könnte natürlich auch ein Trick sein. Erinnern Sie sich noch an » Rudi Carrell oder an » Chris Howland? Beide haben ihr Leben lang Akzent und Sprachfehler gepflegt und diese zu einem Markenzeichen entwickelt. Sie haben gewissermaßen davon gelebt, daß sie sich auf eine ganz einzigartige Weise ausdrückten.

Genauso könnte der Stil der Spammer ein Teil ihres Erfolgsgeheimnisses sein. Denn wenn jemand glaubhaft machen will, daß er in einem exotischen Land gelebt und unter gewissen Umständen über enorme Summen Geld verfügen könnte, wenn er Hilfe von jemandem bekommen würde, der sich zwar nicht mit den Gewohnheiten des Landes auskennt, aber Finanzhilfe leisten kann, ist die demonstrative Vorführung sprachlicher Unzulänglichkeiten vielleicht sogar Vorbedingung. Man will ja schließlich Dummköpfe hereinlegen und muß diesen einige Hinweise geben, damit sie in die Falle tappen.

Da man es auf Dummköpfe abgesehen hat, kann man es, muß man es vielleicht sogar ganz plump anstellen, damit man Erfolg haben kann. Denn wenn man es nicht so plump machen würde, würden diese Leute vielleicht nicht darauf hereinfallen. Sich mit der Schlauheit anderer Adressaten anzulegen, ist vermutlich das weniger einträgliche Geschäft. Man müßte die ganze Angelegenheit ja so glaubwürdig stricken, daß man dies vielleicht gar nicht hinbekommen könnte. Jemanden hereinzulegen, der ein gesundes Mißtrauen hat, dürfte ziemlich schwierig sein.



Hochstapler und Betrüger

Kaum habe ich das geschrieben, fällt mir schon das Gegenbeispiel ein. Im Zusammenhang mit Karl May habe ich über » Hochstapler geschrieben. Die Wikipedia nennt einschlägige Beispiele aus jüngster Zeit. Zum Beispiel jemanden, der schwerreiche, honorige Anleger dazu verleitet hat, Millionen in windige Projekte zu investieren (» Jürgen Harksen), oder einen anderen, der eine Karriere als Mediziner gemacht hat, ohne jemals ein entsprechendes Studium absolviert zu haben (» Gert Postel). Beide betonen, daß es extrem leicht ist, seine Mitmenschen zu täuschen.

"Die Welt will betrogen sein" ist ein sehr alte Sprichwort. Insofern nehmen die Betrüger offenbar eine Aufgabe in dieser Gesellschaft wahr, die notwendig ist. Denn zum Betrug gehören immer zwei, der Betrüger, der sich freilich schlechtes Karma aufhalst, und der Betrogene, der durch den Betrug lernt. Lernen ist ja nicht ganz einfach und manchmal schmerzhaft. Wenn es nur beim Lehrgeld bleibt, kann man vielleicht sogar von Glück sagen.

Dabei ist diese Lektion offenbar notwendig, denn wenn man sich Betrügereien anschaut, wundert man sich, wie überhaupt jemand auf so primitive Machenschaften hereinfallen konnte. Dabei ist diese Verwunderung ihrerseits wiederum Beleg dafür, daß derjenige, der sich verwundert, diese Lektion nicht nötig hat. Er würde niemals auf so etwas hereinfallen. Soweit die allgemeinen Betrachtungen. Die Übertragung auf den Pferdemarkt überlasse ich Ihnen. Dieser ist ja ein Paradebeispiel für Lug und Betrug.

 
Chefredakteur und Herausgeber
 
 




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