| | | | "Wir wollen einmal Deutscher Meister werden" | | | |
| GEWE steht für Gebrüder Weihe, und ich nehme an, daß der Vorsitzende des PzRuF der Sohn eines der Gründer des Unternehmens ist (was heißt denn PzRuF? Googeln: Pferdezucht-, Reit-u. Fahrverein). Eigentlich ist das Befahren des Betriebsgelände verboten, aber glücklicherweise lief jemand herum, der so aussah, als würde er Kunden beraten. Den fragte ich um Genehmigung, aber der wußte auch nicht Bescheid. Da kam die Frau des Eigentümers gefahren: "Turnier? Nein, ein Turnier ist das nicht." Aber ich durfte kommen.
Dafür, daß es kein Turnier war, gab es nach meinem Geschmack sehr viele große Transporter. Einer kam laut Aufschrift sogar aus Österreich, aber vielleicht war dieser LKW inzwischen nach Norddeutschland verkauft - so genau habe ich nicht hingeschaut. Tobias Bücker hatte schon angekündigt, daß man sich einfach nur zum Abschluß der Saison treffen und nochmal gemeinsam fahren wolle. Ich ging davon aus, daß die Bückers teilnehmen wollten, aber das war nicht der Fall. Dafür gab es jede Menge andere Teilnehmer, die meisten mit Einspänner, einige Zweispänner und ein Vierspänner - das konnte ich schnell übersehen.
Im Gegensatz zur verregneten Sichtung konnte das Wetter nicht besser sein. Strahlender Sonnenschein, gewaltige Wolkenberge, entspannte Atmosphäre, gute Laune überall. Als erstes lief ich dem Inhaber über den Weg, der den Tag sichtlich genoß - es war wohl eine gute Idee gewesen. Dann sprach ich ein älteres Paar an, die mit einem Einspänner unterwegs waren.
Sie kamen aus der Nähe. Der Mann war bis vor kurzem als Turnierreiter aktiv. "Jetzt kann ich da nichts mehr gewinnen - da sind wir auf die Kutsche umgestiegen." Auch die beiden waren bester Laune und wiesen mich auf den Vierspänner hin, der mir natürlich schon ins Auge gefallen war: "Da müssen Sie hin, das sind die Profis!"
Klein ist die Welt! Im Februar besuchte ich die Messe Pferd Bodensee in Friedrichshafen. Ich wohnte im Hotel Wagner, und abends setzte sich Hans Wagner zu uns und erzählte. Hans Wagner ist eine Vierspänner-Legende, bekannt für seine Gelderländer. An der Wand hing ein beeindruckendes Photo vom Pferdestall. Sechs Gelderländer mit fast identischer Blässe schauten aus ihrer Box.
Sein ganzer Stolz ist sein Enkel, der schon mit 14 seine Gelderländer gefahren hatte. Die Messe benutzte ein Photo, das den Enkel in der Halle auf der Marathonkutsche zeigt (» Pferd Bodensee, Programm 14.02.04). Aber der Enkel war nicht da. Er absolviert seine Lehre und muß nach dem Willen seiner Eltern erst einmal "kleine Brötchen backen".
Da die Pferde nicht jünger werden, entschloß sich Hans Wagner, sein Gespann zu verkaufen. Er hatte einen Käufer in Minden gefunden. Das hatte ich mir gemerkt, denn Minden ist ja nicht weit. Als nun mein Gesprächspartner die Pferde als Gelderländer vorstellte, wußte ich, daß ich das Gespann von Hans Wagner vor mir hatte.
Der neue Eigentümer, Jürgen Weber, war jahrelang zweispännig gefahren. Jürgen Weber ist ebenfalls ein erfolgreicher Unternehmer, der es sich jetzt ermöglichen kann, mehr Zeit und Geld in sein Hobby zu investieren (» Rainer Duen). "Ich bin zwar schon jahrelang zweispännig gefahren und kürzlich haben wir bei der Rheinischen Meisterschaft mitgemischt, aber im Moment lachen die alle nur über uns. Wir werden wohl noch einige Jahre brauchen. Aber wir arbeiten daran."
Und zwar mit derselben Zielstrebigkeit und Entschlossenheit, mit der die beruflichen Erfolge verwirklicht worden sind. Jürgen Weber und sein Team nehmen Unterricht bei einem der besten Fahrer in unserem Lande, nämlich bei Bernd Duen, dessen Sohn » Weber Kunststofftechnik in diesem Jahr zum zweiten Mal Deutscher Meister geworden ist. Zwei der fünf Pferde, die das Starportrait der FN listet, sind übrigens gezogen und im Besitz des Präsidenten der FN, die anderen gehören Bernd Duen selbst. Für die Duens ist das Fahren mit Sicherheit Beruf. Für Jürgen Weber ist es Hobby und wird es auch Hobby bleiben. Er ist Unternehmer, der sich den Vierspännersport leistet.
Von ihm erfuhr ich, daß für Hans Wagner, der mit einem unnachahmlichen Akzent stets von "Rössr" sprach, mit dem Verkauf des Gespanns die Sache noch nicht zu Ende ist. Er zieht jetzt junge Pferde heran und bildet sie aus - Gelderländer natürlich. Wenn der Enkel seine Ausbildung beendet hat, wird er wieder ein leistungsfähiges Gespann haben. So setzt sich Fahrgeschichte fort, vom Großvater auf den Enkel.
Marion Kühnle, die im Hotel Wagner mit am Tisch saß, hatte auch dafür die passende Erklärung parat. "Der Junge wollte natürlich mit seinem Opa zusammen sein. Und da der Opa immer bei seinen Pferden war, mußte er natürlich mit auf den Bock. So einfach ist das." Ja, ja, wie recht sie hat. Der Pferdevirus ist schon recht besitzergreifend. Vielleicht gibt es deshalb viele Kinder, die nichts mit Pferden zu tun haben wollen und die Eltern mit ihren Pferden sitzenlassen, weil diese die Eltern immer in Beschlag genommen haben. Gut, wenn dann die nächste Generation Feuer fängt.
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