| | | | |  | Lindsey Tyas: Torte zu Ehren von Renate Neu |  |  |  |
| Nachdem sich, zum ersten Mal und leider ohne deutsche Beteiligung, auch die behinderten Zweispännerfahrer dem Urteil der Richter gestellt hatten, wurde es ruhig im Dressurviereck.
Für den Abend war die Eröffnungsfeier geplant. In der Zwischenzeit wollten alle Fahrer ihre Pferde noch einmal etwas spazieren fahren und, was allen noch viel wichtiger war, einen ersten Blick auf die Hindernisse werfen, die für die Marathonprüfung am Samstag schon ausgeflaggt waren.
Und so schwärmten alle aus und im Fahrerlager wurde es ruhig. Nur in Elisabeths Küche wurde geklappert, ein paar freiwillige Hände zum Spülen oder Kartoffelschälen fanden sich immer, ständig musste improvisiert werden und meist wurde es sehr lustig im Küchenzelt.
Zum spätnachmittäglichen Mittagessen fanden sich alle wieder im Lager ein. Pünktlich zur Eröffnungsfeier wurde angespannt, Menschen und Pferde putzten sich heraus, schließlich waren die Gastgeber unter den Ehrengästen und, da auch seine Hoheit Prinz Philip, Duke of Edinburgh, mit seinem Pony-4-Spänner an den parallel stattfindenden nationalen schottischen Meisterschaften teilnehmen sollte, hoffte man, dass auch er unter den Zuschauern sein würde (» HRH Prince Philip, Duke of Edinburgh).
Es wurde eine lustige Feier, Dudelsackklänge schallten über Zuschauerränge, die Fahrer präsentierten ihre mit den Landesflaggen bestückten Gespanne, die offiziellen Reden waren kurz und überaus freundlich und eine Jugend-Showtruppe zeigte lustige Ritterspiele mit Pferd und Wagen. Auch Prinz Philip wurde gesehen, mitten unter den Zuschauern stand er, mit Anglerhut und Kleppermantel, von den meisten Leuten unerkannt.
Am Freitag fanden die nationalen Ausscheidungen statt, und jeder nahm sich ein wenig Zeit zuzuschauen, denn der Anblick von Tandems oder einer königlichen Dressur wird einem nicht so oft geboten. Der eisige Westwind hatte sich endlich gelegt, und so wurde es zwar wolkig und regnerisch, aber auch etwas wärmer.
Am Abend fand das Highlight im Beiprogramm einer jeden Weltmeisterschaft im Behindertenfahrsport statt: der Abend der Nationen. Schon in der Ausschreibung wird darauf hingewiesen, dass man landstypische Dinge, vornehmlich Leckereien jeglicher Art, für den Abend der Nationen mitbringen möchte, um sich und sein Land den anderen Fahrern vorzustellen und näherzubringen.
Schon eine Stunde vor dem offiziellen Beginn des Abends wurden Tische zusammengerückt und dekoriert, Kisten und Kästen herbeigeschleppt und ausgepackt, was man mitgebracht hatte. Mehr und mehr füllte sich das Zelt, der Veranstalter sprach ein paar Begrüßungsworte und dann ging es los: in dem heillosen Sprachen- und Stimmengewirr konnte man fast sein eigenes Wort nicht mehr verstehen, man zog von Tisch zu Tisch, probierte schwedische Fischhäppchen und kalifornische Rosinen, englischen Käse und Obstbrand aus Österreich.
Das deutsche Team hatte, wie immer, einen riesigen westfälischen Schinken aufgetischt, dazu Schwarzbrot, Schmalz und saure Gurken und, zur besseren Verträglichkeit westfälischen Doppelkorn, Roten und Westerwälder Basaltfeuer. Auch gut 100 Buttons mit dem Vereinslogo der behinderten Fahrer gingen weg wie warme Semmeln, kleine Andenken, die die Erinnerung an diese WM wach halten.
Eine besondere Überraschung hatte diesmal Lindsey Tyas mitgebracht: wie immer hatte die spastisch gelähmte Fahrerin eine Oblate für eine Torte bemalt, diesmal zeigte das Bild die im vergangenen Jahr verstorbene, deutsche Fahrerin Renate Neu auf ihrer Sternchen-Marathonkutsche mit ihrem sagenhaften Lusitano-Wallach Justo und Ehemann Johann als Beifahrer (» Renate Neu, » Fahrerporträt Renate Neu). So war die begnadete Fahrerin, die durch ihre MS-Erkrankung fast vollständig gelähmt war und ihr Pferd während der letzten WM 2002 in Greven-Bockholt fast nur noch mit der Stimme durch die Prüfungen führte, wieder Mittelpunkt vieler Erinnerungen und Gespräche.
Es war, wie immer, ein äußerst lustiger Abend und am Ende wusste keiner mehr, ob die gute Stimmung eher von den Schnäpsen, dem schottischen Rotwein oder irischen Guinness kam. Auch wenn die Fahrer und Beifahrer schon früh ins Bett geschickt wurden, auf dem Zelt gingen die Lichter erst im Morgengrauen aus.
Zweiter Teil nächste Woche. Jutta Lehmeyer ist Pressesprecherin der IG Fahren für Menschen mit Behinderung e. V.
Quellen
Fotos
© Jutta Lehmeyer
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