
| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | | 22.07.2007
Löschen Sie!
Immer wieder erreichen mich dringende Appelle, doch bestimmte Inserate zu löschen. Nun ist bekanntlich jeder für seinen eigenen Kram zuständig. Wer die Dienste der Pferdezeitung in Anspruch nimmt, kann jederzeit über alle seine Daten verfügen, und die Redaktion wird sich hüten, private Daten zu manipulieren.
Da die E-Mail-Adresse praktisch der Zugang ist, kann nur der Inhaber der E-Mail-Adresse an seine Daten - jedenfalls solange diese E-Mail-Adresse gültig ist. Es kommt vor, daß das nicht mehr der Fall ist, und dann gibt es keine Möglichkeit, das Passwort zu erfahren. Zwar wird dieses bei jeder Aktion auch per E-Mail mitgeteilt, aber die meisten Leute löschen ja Ihre E-Mails, vorzugsweise Systemnachrichten, die lediglich die bekannten Aktionen bestätigen.
Auch das ist normalerweise kein Beinbruch. Man braucht das Passwort nicht, da es in einem Cookie auf dem Rechner des Inserenten verschlüsselt wird. Die Laufzeit dieses Cookies beträgt ein Jahr nach dem letzten Besuch. Das sollte normalerweise reichen. Wenn aber dieser Cookie verlorengeht, weil alle Cookies gelöscht worden sind oder weil die Festplatte kaputtgegangen oder weil die Laufzeit überschritten wurde ist, braucht man ausnahmsweise das Passwort, um diesen Cookie wieder neu zu erzeugen. Normalerweise kein Problem, da man es sich per E-Mail zuschicken lassen kann. Hier geht das nun nicht mehr, weil die E-Mail-Adresse nicht mehr gültig ist.
In solchen Fällen können wir natürlich das Passwort an die neue E-Mail-Adresse verschicken, wenn sich der ursprüngliche Inhaber hinreichend hat legitimieren können - sonst könnte ja jeder kommen und behaupten, dies seien seine Daten. Mit der ehemals gültigen E-Mail-Adresse und dem gültigen Passwort kann auch in solchen Fällen der Inhaber seine Daten verwalten, in diesem Falle z. B. die E-Mail-Adresse ändern. Man sollte meinen, daß damit alles zur Zufriedenheit geregelt ist. Keineswegs.
Suchmaschinen
Die Löschungsanträge haben regelmäßig folgenden Hintergrund: Der Absender hat irgendwann einmal die Dienste der Pferdezeitung in Anspruch genommen. Das ist meistens sogar schon einige Jahre her. Da Inserate automatisch nach spätestens sechs Wochen auslaufen, wenn sie nicht verlängert werden, sind alle Inserate abgelaufen, wenn sich der Zweck des Inserats erledigt hat, auch wenn der Inhaber das Inserate nicht gelöscht haben sollte. Das Inserat selbst ist also auf der Pferdezeitung nicht mehr zu finden.
In vielen Fällen weiß das der Antragsteller auch - das ist also nicht das Problem. Das Problem ist die Speicherung des ursprünglichen Inserats in einer Suchmaschine. Wenn man dem von der Suchmaschine angebotenen Link nachgeht, kann man sofort feststellen, daß das Inserat auf der Pferdezeitung nicht mehr vorhanden ist. Die Suchmaschine hat aber die ursprünglichen Informationen noch in ihrem Bestand und zeigt diese zusammen mit den Fundstellen. Im Falle von Google kann man sich über den Cache, die lokale Google-Kopie der ursprünglich gefundenen Seite, sogar den damaligen Zustand anzeigen lassen. Das ist gut und schlecht.
Archiv
Man ist oft an Inhalten interessiert, die aktuell nicht mehr zu haben sind. Zum Beispiel, wenn man sich genau daran erinnert, daß im letzten Jahr ein bestimmter Artikel in der Fernsehzeitung gestanden hat, aus dem man jetzt zitieren möchte. Leider hat man diese Fernsehzeitung schon längst weggeworfen. So ein Pech! Schön, wenn man jetzt eine Archiv hätte!
Die Aufgabe eines Archivs ist, den Zugang zu Informationen oder Gegenständen zu gestatten, die einmal in der Welt waren. Fernsehzeitungen sind so wenig relevant, daß vermutlich nur der Verlag selbst ein Archiv anlegt, wenn überhaupt. Eine Suchmaschine kann aber nur schwer über die Relevanz von Inhalten entscheiden, also wird sie einmal gefundene Informationen vermutlich für lange Zeit aufbewahren. Das ist gut. Man findet also heraus, daß es irgendwann einmal diese Informationen woanders gegeben hat. Wenn man dann auf die ursprünglichen Seite wechselt, erlebt man möglicherweise eine Überraschung. Die gesuchten Inhalte existieren nicht mehr.
Oft liegt das daran, daß dort ein neues System eingesetzt wurde, das völlig andere Ordnungsstrukturen hat, infolgedessen auch völlig andere Adressen, so daß diese Adresse ungültig geworden ist. Wenn man Glück hat, bietet diese Seite eine Suchfunktion an, und wenn man noch mehr Glück hat, findet man über diese Suchfunktion die gesuchten Inhalte, weil diese Inhalte in das neue System übernommen wurden. Man muß also ziemlich viel Glück haben. Meistens ist das nicht der Fall. Dann ist man froh, wenn die Suchmaschine eine Kopie der ursprünglich gefundenen Inhalte angelegt hat. So findet man möglicherweise dringend gesuchte Informationen, die auf der ursprünglichen Seite schon längst verschwunden oder durch andere Inhalte ersetzt sind. Sehr gut!
Dynamik
Normalerweise müßte eine Suchmaschine die einmal gefundenen Inhalte regelmäßig auf Änderungen überprüfen und die alten Informationen gegebenenfalls durch neue ersetzen. Normalerweise, ja. Denn die Inhalte können sich im Internet ja weiterentwickeln. Ein typisches Beispiel ist die Wikipedia, bei der man über die Diskussionsseite, die es zu jedem Artikel gibt, die Fortschreibung dieser Inhalte sogar nachvollziehen kann.
Irgend jemand legt einen Artikel zu irgendeinem Thema an und schreibt etwas dazu, zum Beispiel » Wikinger. Schon kommt jemand anders und bemängelt die Qualität dieses Artikels. Also wird der Artikel verbessert. Und dieser Verbesserungsprozeß zieht sich unter Umständen lange hin, so daß sich diese Inhalte ständig verändern. Irgendwann einmal mögen sie eine gewisse Stabilität erreicht haben; da aber ein Erkenntnisprozeß niemals zum Ende kommt - in diesem Falle, weil zum Beispiel viele Wissenschaftler und auch Amateure sich mit dem Thema beschäftigen und immer neue Erkenntnisse gewinnen - kann man im Prinzip niemals davon ausgehen, daß ein Artikel seine endgültige Fassung gefunden hat. Deshalb erwartet man von der Suchmaschine, daß sie immer auf dem neuesten Stand ist und alle zur entsprechenden Suche relevanten Inhalte findet.
Das betrifft natürlich auch die Pferdezeitung. Auch die Pferdezeitung ist ständig im Wandel begriffen, und deshalb sollte auch eine Suchmaschine immer wieder ihre gefundenen Inhalte überprüfen und gegebenenfalls ändern. Wenn also ein bestimmtes Inserat gefunden und gespeichert wurde und dieses nach einiger Zeit ausgelaufen ist, sollte die Suchmaschine das merken. Tut sie aber unter Umständen nicht. Aus diesem Grunde finden Leute, die die Suchmaschine in Bezug auf sich selbst befragen, alte Inserate aus der Pferdezeitung im Bestand. Das ärgert die aus welchen Gründen auch immer, und dann schreiben die mich an mit der Bitte, doch ihr Inserat zu löschen.
Zuständigkeiten
Da ich ja schon davon ausgehen kann, daß dieses Inserat in der Pferdezeitung nicht mehr vorhanden ist und außerdem jeder für seine eigenen Inserate voll verantwortlich ist, informiere ich erst einmal über den Sachverhalt und vermute schon, daß es gar nicht die Pferdezeitung ist, die hier angeklagt wird. Also weise ich vorsorglich darauf hin, daß wir keinerlei Einfluß auf fremde Unternehmen haben.
Dieses Problem ist natürlich schon uralt und wird deshalb auch in der › Hilfe behandelt. Nun liest vermutlich kaum jemand die Hilfe, aber wenn jemand das tut, lernt er vielleicht etwas darüber, was man in die Welt hinausposaunen sollte und was nicht. Manche Leute teilen geheime Telefonnummern mit, was man ja bei einer Anzeige in der Tageszeitung auch nicht machen sollte. Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, ist guter Rat natürlich teuer.
Die Suchmaschinen bieten zwar die Möglichkeit, auf Antrag bestimmte Ergebnisse zu löschen, verpflichten sich aber nicht dazu. Man kann also darum bitten, diesen Wunsch aber nicht einklagen. Hier nun bin ich tatsächlich gefragt, denn der Inhaber des betreffenden Inserats ist nicht berechtigt, einen entsprechenden Antrag bei der Suchmaschine zu stellen, sondern nur der Webmaster.
Wenn sich die Diskussion mit dem Beschwerdeführer bis hierher entwickelt hat, muß ich endlich die Gretchenfrage stellen: Um welche Adresse handelt es sich denn eigentlich? Denn wenn ich den Antrag bei der Suchmaschine stellen soll, muß ich eine konkrete Adresse angeben. Und nun stelle man sich vor: Viele E-Mails sind hin und hergegangen, Emotionen sind hochgepeitscht, ich bin böse angeklagt, wild beschuldigt worden, habe schließlich zerknirscht eingesehen, daß nur ich etwas tun kann, habe deshalb nachgegeben und will endlich dem Ersuchen nachkommen - da bricht der E-Mail-Verkehr ab. Kann man so etwas verstehen?

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