100 Jahre FN Das aktuelle Interview "100 Jahre alt – und trotzdem aktuell und dynamisch" Warendorf (fn-press). Am 15. Februar feiert die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) Geburtstag. Vor genau einhundert Jahren wurde sie als "Verband deutscher Halbblutzüchter" in Berlin gegründet. Wie es dazu kam, welche Entwicklung Pferdesport und Pferdezucht genommen haben, und wo der Verband heute steht, dazu befragte FN-aktuell Dr. Hanfried Haring (Warendorf), FN-Generalsekretär und Vorsitzender des geschäftsführenden FN-Vorstandes. FN-aktuell: "Geritten wird ja schon seit Menschengedenken. Über Jahrtausende spielte das Pferd eine wichtige Rolle im Transportwesen, in Wirtschaft und Verkehr und leider auch im Krieg. Einen Pferdesportverband gibt es aber erst seit einhundert Jahren? Wie kommt das?" Dr. Hanfried Haring: "Früher war die wettkampfmäßige Reiterei den Offizieren vorbehalten und ganz wenigen, zumeist adligen und sehr begüterten Zivilisten. Da war keine Organisation nötig. Um die Jahrhundertwende wurde das anders. Das Heer brauchte Pferde nicht mehr in demselben Ausmaß wie zuvor, der Motor fing an das Pferd zu verdrängen. In dieser Zeit entstanden die ersten Reitturniere, unter anderem mit dem Ziel, einen neuen Markt für die Pferde zu schaffen. Auch der Verband deutscher Halbblutzüchter entstand vor allem mit dem Hintergedanken, den Sport zu organisieren und Käufer für die in Deutschland gezogenen Pferde zu finden. Und auch, um die Pferde aus deutscher Zucht zu identifizieren. Das ist modernstes Marketingdenken. Und der Grund dafür, warum wir heute zugleich Pferdesport- und Pferdezuchtverband sind." FN-aktuell: "Nach dem zweiten Weltkrieg sah es einmal so aus, als würde man Pferde bald nur noch im Zoo bewundern können?" Dr. Haring. "Stimmt, das habe ich selbst noch miterlebt. Zu genau dieser Zeit, als es so bergab ging mit den Pferdezahlen, ritt ich in einem Handelsstall. Und plötzlich, mit zunehmendem Wohlstand und zunehmender Technisierung, wuchs bei den Leuten der Wunsch, mit etwas Lebendigem, mit Natur – und das Pferd ist Natur – zu tun haben zu wollen. Und mit etwas, das ein bisschen Prestige hatte und sportlich war. Beim Pferd kam alles zusammen. Es gab einen richtigen Boom. Die Menschen kauften Pferde und in den Reitervereinen gab es wieder mehr Kunden. Allein in unserem Verein mit über 25 Schulpferden stießen wir an Grenzen, konnten das Interesse kaum befriedigen." FN-aktuell: "Reiten war also plötzlich Trendsport. Das ist doch eigentlich toll?" Dr. Haring: "Ja sicher, aber auch mit Problemen verbunden. Einerseits war dies natürlich gut für die Pferdezucht und den Pferdesport, andererseits aber gab es ein Riesenloch, was die notwendigen Ausbilder anging. Denn die ehemaligen Offiziere und Fachleute früherer Zeiten starben allmählich aus. Zu dieser Zeit gab es unheimlich viel Wildwuchs. Mancher, der nur "Hacken tief" schreien konnte, stand in der Bahn und verbreitete seine Theorien. Da war zwar noch das Korrektiv durch die Älteren, die am Richterisch saßen, aber ein Loch in der Ausbildung gab es trotzdem. Das ist von Warendorf – übrigens schon lange vor meiner Zeit – auch erkannt worden, aber wir wissen ja alle, wie lange es dauert, einen guten Reitlehrer oder Trainer auszubilden. Und das Loch ist bis heute nicht ganz gestopft, noch immer haben wir einen Mangel an guten Ausbildern, wenn auch nicht mehr so dramatisch wie damals. Jetzt, pünktlich zu unserem Jubiläum, starten wir daher auch mit einer großen Ausbildungsoffensive. Allerdings muss eines auch gesagt werden: International werden wir um unser Ausbildungssystem beneidet." FN-aktuell: "Sie sprechen es an. Die deutsche FN ist heute die größte und erfolgreichste FN innerhalb des Weltreiterverbandes und wird weltweit um seine Pferde und sein Ausbildungs- und Turniersystem beneidet. Wer oder was aber verbirgt sich genau hinter der Bezeichnung "FN"?" Dr. Haring: "Die ‚FN’ ist eine Mitgliedsorganisation des Weltreiterverbandes FEI, der Fédération equestre international. Daher kommt auch die Bezeichnung ‚fédération national’ mit der Abkürzung FN. Die FN ist der Bundesverband für Pferdesport und –zucht, ihre Mitglieder wiederum sind die Landesverbände und Zuchtverbände. Die Gesamtorganisation reicht vom einzelnen Züchter bis zu seinem regionalen Zuchtverband und zu uns sowie vom einzelnen Reiter, Fahrer und Voltigierer über seinen Verein und Landesverband bis zu uns. Ich habe einmal zusammengerechnet. In Deutschland beschäftigen sich rund 1.500 Menschen hauptamtlich mit dem Pferd. In der Warendorfer Zentrale sind es rund 100 Mitarbeiter, dazu kommen alle, die am Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) und am Bundesleistungszentrum, in den Landes- und Zuchtverbänden, in den Absatzorganisationen, Gestüten und Leistungsprüfungsstationen tätig sind. Direkt oder indirekt geben Pferdesport und –zucht über 300.000 Menschen Lohn und Brot, so eine Berechnung. Dazu kommen mehrere Zehntausend, die ehrenamtlich mit dem Pferd befasst sind." FN-aktuell: "Wenn die FN eine Person wäre, wie würden Sie sie beschreiben?" Dr. Haring: "Das geht gar nicht. Ich vergleiche die FN lieber mit einem Schlachtschiff, durchaus powerfull, aber schwer vom einmal eingeschlagenen Kurs abzubringen. Das hat einfach etwas mit der Größe zu tun. Obwohl wir strukturell alles getan haben, um den Verband beweglicher zu machen – und er ist auch beweglicher geworden – gilt nach wie vor: Er geht seinen Weg, und wenn man die Richtung ändern will, muss man lange vorher dran arbeiten, langfristig denken und um Mehrheiten kämpfen. Und das ist bei einem Verband wie unserem nicht immer einfach, denn wir haben es mit einem sehr traditionsbewussten Denken zu tun." FN-aktuell: "Ein Blick in die Zukunft: Vor welchen besonderen Herausforderungen steht der Verband in den nächsten Jahren?" Dr. Haring: "Da gibt es mehrere. Zum einen hat sich die Einstellung der Menschen zum Pferd geändert. Früher war der Umgang mit dem Pferd selbstverständlich, so wie wir heute mit dem Auto umgehen oder mit etwas, was wir täglich nutzen. Das ist vorbei. Oft fehlt einfach die Kenntnis darüber, was ein Pferd braucht. Keiner behandelt ein Pferd schlecht aus Jux und Dollerei, sondern weil er es nicht besser weiß. Er hat es nicht besser gelernt, er kann es einfach nicht. Hier sind wir als Verband gefordert, der Öffentlichkeit klar zu machen, was ein Pferd ist, und was es braucht. Dass es weder ein Sportgerät ist noch ein "Schoßhund". Das Pferd ist ein Tier, es hat bestimmte Ansprüche, und wenn wir richtig damit umgehen, ist alles okay. Ein weiterer Punkt ist der Kommerz. Weder Sport noch Zucht funktionieren, ohne dass Geld fließt. Das zeigen ja schon die Anfänge unseres Verbandes. Allerdings müssen wir unbedingt die Auswirkungen der zunehmenden Kommerzialisierung im Auge behalten. Ist es wirklich notwendig, dass ein Pferd heute in Bremen und am nächsten Wochenende in Übersee an den Start geht? Unsere Aufgabe ist es, die notwendigen Grenzen zu ziehen. Eine weitere Herausforderung ist auch die wachsende Professionalität auf allen Ebenen. Wir haben es immer mehr mit Profis zu tun – bei den Reitern, Händlern und Veranstaltern. Alles ist in unserem Sport sehr professionell, an der Spitze sowieso. Ob die Organisation darauf immer die richtige Antwort findet, weiß ich nicht. Sicher ist, dass wir professioneller werden müssen, sonst werden wir gnadenlos auf jeder Stufe von den Profis abgezogen. Wir müssen weiterarbeiten, nicht nur an der Struktur- sondern auch an der Bewusstseinsänderung auf allen Ebenen des Verbandes. Und dann ist da noch die Sauberkeit im Sport. Sie gehört zu den zentralen Themen in unserem Sport. Wir können uns viel erlauben. Aber wir schaden dem Sport und der Organisation, wenn wir etwas gegen das Pferd tun. Und das heißt für mich: mit schlechter Haltung, schlechter Ausbildung und einem Sport, der nicht sauber ist." FN-aktuell: "Neujahr und Geburtstage sind meist ein Anlass für gute Vorsätze. Welche guten Vorsätze hat die FN für die nächsten Jahre?" Dr. Haring: "Da gibt es keine. Aber wir haben natürlich Ziele. Wir wollen die Ausbildung verbessern, besser eingehen auf unsere Zielgruppen, das Wissen um das Pferd weiter verbreiten, den Organisationsgrad erhöhen und schließlich unseren Verband den Veränderungen seines Umfelds durch Strukturwandel anpassen. Dazu gehört auch die Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit. Das Motto muss sein: 100 Jahre alt und trotzdem aktuell und dynamisch." Das Interview führte Uta Helkenberg 100 Jahre FN im DeutschlandRadio Berlin (fn-press). Dem 100-jährigen Bestehen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) widmet das DeutschlandRadio Berlin eine eigene Hörfunksendung. Am Sonntag, 13. Februar, zwei Tage vor dem offiziellen Festakt in Berlin, strahlt der Sender ab 17.30 Uhr ein 30-minütiges Hörfunk-Feature zum Thema 100 Jahre Pferdesport und -zucht in Deutschland aus. Berichtet wird darin über die Hintergründe der Verbandsgründung, die wechselvolle Geschichte in den vergangenen 100 Jahren bis hin zur aktuellen Situation des Verbandes als weltweit führend in Pferdezucht und -sport. T.H. Premiere: Fotoausstellung 100 Jahre FN Berlin (fn-press). "100 Jahre Pferdezucht und Pferdesport in Deutschland" ist der Titel der Fotoausstellung, die am 15. Februar in Berlin Premiere feiert. Im Rahmen des Festaktes, mit dem die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) in der Bundeshauptstadt ihren 100. Geburtstag feiert, präsentiert sie geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Sport und Pferdezucht rund 25 Tafeln mit historischen Fotos und erklärenden Texten. Exponate aus dem Fundus des Deutschen Pferdemuseums in Verden und aus dem Archiv der Firma Waldhausen ergänzen die Bilderausstellung. Die Schau basiert auf dem gleichnamigen Buch, das der FNverlag - frisch aus der Druckpresse kommend - ebenfalls beim Festakt präsentiert. Viele der Fotos entstammen dem einzigartigen Archiv Menzendorf (Berlin). Einer breiten Öffentlichkeit ist die Fotoausstellung nur wenige Tage später zugänglich. Vom 26. Februar bis 6. März zeigt die FN die Bilder auf der Equitana in Essen an ihrem Stand in Halle 10/11. Bo |