Jetzt trabe ich zurück, denn die Vorstellung, die Karte würde gerade mit meinem Gepäck zum nächsten Quartier gefahren, macht mir kein gutes Gefühl.
Ich erwische Frau Wernicke gerade noch rechtzeitig vor der Abfahrt und kann meinen Kartenabschnitt für den heutigen Tag aus der Reisetasche nehmen.
Nun geht es wirklich los, und nach den Verzögerungen bin ich froh, nur eine so kurze Tagesstrecke vor mir zu haben.
Der Weg ist sandig und führt zunächst ein kurzes Stück durch den Wald. Dann komme ich mit Rashim auf eine Hochebene und wir scheuchen über 20 Rehe auf. Eine so große Gruppe habe ich noch nie gesehen!
Beim Weiterreiten stelle ich fest, dass der Weg so gut ausgeschildert ist, dass ich meine Karte eigentlich nur zur Beruhigung dabei habe. Es gibt spezielle Schilder, auf denen neben dem Reitwegesymbol der Specht im Hufeisen zu sehen ist, sowie eine Richtungsangabe für den Rundwanderweg (natürlich immer in beide Richtungen).
Bei dem Specht handelt es sich um den seltenen Mittelspecht, das Wahrzeichen des Hohen Fläming. Er ist hier heimisch, und ich bekomme ihn im Wald sogar zu sehen. Auch Schwarzspechte kann ich beim Reiten beobachten.
Was man im Wald nicht zu sehen bekommt, sind Menschen. Ich begegne an diesem ersten Tag keinem einzigen Menschen. Das sollte man wissen, wenn man sich dafür entscheidet, allein zu reiten - im Wald ist man dann tatsächlich völlig allein!
Da ich mir einiges zu essen mitgenommen habe, reite ich bis zur Mittagspause nach etwa zwei Stunden nur Schritt. Ich habe mir vorgenommen, Rashim in den Pausen so gut es geht grasen zu lassen.
Da das aber an der Hand nicht sehr entspannend für mich wäre, habe ich 50 m rot-weißes Flatterband dabei, mit dem ich zwischen den Bäumen einen Paddock einzäunen kann.
Diese Vorgehensweise ist sicher nicht bei jedem Pferd zu empfehlen, da das eine oder andere vielleicht durch so ein Band durchgehen würde. Alternativ bieten einige Versandhäuser auch Wanderreit-Sets mit Elektrozaun an.
Doch die dann entstehenden vier Kilo Zusatzgewicht wollte ich nicht akzeptieren. Ich weiß, dass Rashim vor dem flatternden Band großen Respekt hat, er würde es niemals berühren!
Ich halte gegen Mittag immer nach Plätzen Ausschau, wo im Wald Gras wächst und die Bäume nicht zu dicht stehen. Fündig werde ich am ersten Tag zwischen zwei Schonungen. Hier war ein breiter Streifen als Zwischenraum gelassen worden, den ich für Rashim nur noch vorn und hinten absperren muss, fertig ist die Koppel!
So kann ich mich bequem hinsetzen und selber essen, während Rashim sich frei bewegen kann. Am ersten Tag ist er noch etwas unsicher, und ich muss zunächst den Paddock gemeinsam mit ihm abschreiten, bis er sich ganz an seine Grenzen wagt. Doch dann grast er friedlich, während ich esse.
Später stellt er sich neben mich und döst ein Weilchen. Ich sitze im Moos und genieße die Stille. Ab und zu zieht ein Rabe mit seinem typischen Ruf über uns hinweg, sonst ist alles ruhig.
Beim Aufsatteln entdecke ich dann an Rashims Beinen merkwürdige schwarze Punkte: Zecken!
Er hat alle Beine voller großer brauner Zecken. Zum Glück ist Rashim ein Schimmel; so kann ich sie leicht absammeln, denn sie sind noch nicht in der Haut. Aber das ist etwas, was bei dunklen Pferden sicher schwierig sein dürfte. Ab sofort kontrolliere ich alle paar Stunden seine Beine. Ich finde jedesmal Zecken daran.
Nach der Pause reite ich noch eine gute Stunde, wobei ich jetzt, nachdem das Essen nicht mehr in den Packtaschen ist, auch galoppieren kann. Viel zu schnell habe ich das Ziel der ersten Tagesetappe erreicht. Groß Briesen ist der nördlichste Anlaufpunkt meines Rittes. Hier gibt es ein Isländergestüt mit etwa 100 Pferden.
Zweiter Teil nächste Woche
Quellen
Fotos
© Claudia Ansorena
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