| | | | | | Und noch einmal und noch einmal | | | |
| Neben dem routinierten Mädchen fielen mir zwei Männer und eine Frau auf, die mit sehr großem Druck ihre Pferde durch die Bahn hetzten. Ich habe mich selbstverständlich auf das Fotografieren konzentriert. Mit meiner neuen Digitalkamera übe ich jetzt schon ein halbes Jahr lang; dieses Turnier gab mir wieder gute Gelegenheiten, neue Erfahrungen zu machen.
Meine analoge Kamera wäre hier teilweise überlegen, teilweise unterlegen gewesen. Das habe ich aber erst im Laufe der Zeit herausgefunden. Zunächst war ich enttäuscht: durch die mangelnde Möglichkeit, manuelle Einstellungen vornehmen zu können, fühlte ich mich stark behindert. Die Pferde bewegen sich so schnell, die Entfernungen ändern sich ständig; es schien unmöglich, scharfe Fotos machen zu können.
Wenn mir dann mal ein anständiges Foto gelungen ist, schien es mehr Glückssache gewesen zu sein. So zum Beispiel das sensationelle Foto der Frau, die mit vollem Galopp vor die Wand rast: da wird einem beim Betrachten schon fast schlecht. Dieses Foto und andere Szenen gaben mir denn doch zu denken; mit welchen Methoden bringt man die Pferde dazu, sich so zu verhalten?
Wer so etwas machen will, braucht schon eine gehörige Portion Mut und Vertrauen, das leuchtet ein, und zwar sowohl von Seiten des Pferdes als auch von Seiten des Reiters; ich weiß nicht, ob ich mir das zutrauen würde.
Aber abgesehen davon: Ist diese Methode nicht ein bißchen brutal? Wer gewinnen will, muß vielleicht so vorgehen. Wenn meine Beobachtungen mich nicht trügen, arbeiteten die wenigen Männer ausnahmslos mit mehr oder minder großem Druck.
Die Frauen, die im allgemeinen beim Reining nicht richtig überzeugen konnten, schienen es an genau diesem Druck fehlen zu lassen; und diejenige Frau, die mit voller Wucht gegen die Wand bretterte, gewann den Wettbewerb und bewies damit, daß der Erfolg in dieser Disziplin nicht vom Geschlecht abhängt. Zeigt dieser Sieg zugleich, daß der Erfolg doch vom Druck abhängt?
Unter den Männern fiel mir besonders einer auf, weil er ständig zwischen höchster Geschwindigkeit und Vollbremsung wechselte. Das arme Pferd, dachte ich mir. Warum kauft der Mensch sich nicht ein Motorrad? Aber wenn ich mir das vorstelle: Das würde man vermutlich noch nicht einmal mit einem Motorrad so machen, des hohen Verschleißes wegen.
Doch was verstehe ich schon von Motorrädern und von Motorradfahrern? Da geht es doch auch darum, durch extreme Bewegungen Freude am eigenen Körpergefühl zu haben.
Die einen jagen durch das Gelände und fliegen durch die Luft, die anderen legen sich extrem in die Kurve, beschleunigen und bremsen stark (wenn es die Verkehrssituation zuläßt), und wieder andere gondeln gemütlich durch die Gegend und suchen sich kurvenreiche Straßen: die Autobahn ist nur gefragt, wenn man schnell dahin kommen will, wo man eigentlich fahren möchte.
Vielleicht macht es den Pferden ja doch Spaß, gewaltig anzutreten und dann plötzlich zu stoppen - wer weiß? In Springwettbewerben vollbringen Pferde ebenfalls Spitzenleistungen, die man ihnen nicht ohne weiteres zutrauen würde. Kann man daraus schließen, daß die Pferde freiwillig nicht springen würden?
Den Berichten über die Senner entnehme ich, daß diese in der freien Wildbahn zuweilen über erstaunlich hohe Hindernisse gesprungen sind, wenn das Futter auf der anderen Seite verlockend war. Wer sagt, daß sie nicht auch Spaß daran hatten?
Im übrigen kann man allem Anschein nach nicht gewinnen, wenn die Pferde nicht mitspielen und ebenfalls gewinnen wollen. Allein mit Druck ist ein Sieg wohl nicht zu haben.
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