Meine Meinung:
von  › Werner Popken

Die Pferdezeitung hat eine Rubrik Rezensionen. Darin wird jede Woche ein Buch besprochen. Die Aussagen des Verlages über das Buch samt Klappentext werden ebenso wie die buchhandelstechnischen Angaben sorgfältig recherchiert und der Titel eingescannt.

Dann folgt die eigentliche Rezension. Schon ein oberflächlicher Vergleich mit den üblichen Rezensionen in Magazinen zeigt, daß diese Rezensionen wesentlich sorgfältiger und aufwendiger sind, als man das von den Printmedien her gewohnt ist. Soweit mir das bekannt ist, schätzen die Leser, die Autoren und auch die Verlage diese Arbeit durchaus.

Nun gibt es aber leider ein Problem. Das Jahr hat 53 Wochen, und das bedeutet, daß die Pferdezeitung 53 Bücher im Jahr "verbraucht". Nun sind die Verlage sehr stark im Herausbringen neuer Bücher, und wir haben eine ganze Reihe von Verlagen, die mehr oder weniger auf Pferdebücher spezialisiert sind. Es sollte hier eigentlich möglich sein, Woche für Woche ein interessantes Buch zu besprechen.

Es stellt sich heraus, daß die Verlage Rezensionsexemplare nur auf Anfrage schicken und nicht bereit sind, mehr als eine Handvoll Bücher zur Verfügung zu stellen. Nun könnte man meinen, daß die Verlage die Investitionen scheuen. Rezensionsexemplare sind nämlich kostenlos. Wenn ich also bei einem großen Verlag 20 oder 30 Bücher anmelde, müßte dieser einen erheblichen Gegenwert auf die Post bringen und noch die Versandgebühren tragen.

Der Verlag könnte also mutmaßen, daß ich mich auf seine Kosten bereichern wollte. Nun habe ich aber, um mein professionelles Interesse zu unterstreichen, angeboten, die Bücher anschließend zurückzusenden, nicht ohne den Zusatz, daß ich in den Büchern keine Anmerkungen zu machen pflege.

Ich habe nicht damit gerechnet, daß die Verlage die Bücher wirklich wiederhaben wollen. Sie sind auf jeden Fall gebraucht, denn ich habe ja darin gelesen, man merkt also, daß das Buch bereits aufgeschlagen worden ist. Für mich würde sich damit immerhin das Problem erledigen, all diese Bücher in meinem Bücherschrank unterzubringen. Auf jeden Fall aber kann ich meine Absichten deutlicher nicht machen.

Es soll auch Rezensenten geben, die die Rezensionsexemplare anschließend verhökern. Das machte ich nicht, eine solche Absicht würde durch die Rückgabe mit Sicherheit verhindert, und der Verlag könnte seinerseits die Bücher verhökern.

Der Verlag hat auch nicht wirklich einen Verlust, denn zum einen handelt es sich um Marketingaufwendungen, ein ganz normaler Posten in der Bilanz, zum anderen leiste ich wertvolle, unbezahlte Arbeit für den Verlag, die dieser gar nicht einkaufen könnte. Normalerweise müßte der Verlag frohlocken, wenn ich eines seiner Bücher bespreche.

Daher verstehe ich nicht, warum ein auf Pferdebücher spezialisierter Verlag hier knausern sollte. Genau das aber passiert, und zwar bei nicht nur einem Verlag. Zugegeben, ich habe auch schon Bücher unverlangt zugeschickt bekommen - dabei handelte es sich aber um Bücher, die ich nicht gern besprochen habe, und damit ist allen Beteiligten weniger geholfen.

Übrigens erhalten die Verlage automatisch eine Nachricht über die Rezension; die Verlage erbitten in der Regel eine Kopie, und das ist vollkommen in Ordnung. Die Verlage müßten also genau wissen, was in der Pferdezeitung Woche für Woche passiert. Ich habe mir vorgestellt, daß die Verlage vielleicht sogar ein bißchen unruhig werden, wenn Woche für Woche Bücher aus anderen Verlagen besprochen werden und nicht die aus dem eigenen Programm.

Ich habe viel über die Situation nachgedacht und konnte nur zu einem Schluß kommen: Die Verlage sind nicht interessiert. Die Bücher verkaufen sich sowieso. Wen interessiert das schon, ob da irgendwer eine Rezension schreibt? Da hätten die ja viel zu tun...

Ein Verlag hat sogar eine Bestellkarte geschickt. Die habe ich ignoriert. Ich kaufe Bücher, wie andere Leute auch, um sie zu besitzen. Ein Buch, das ich rezensieren will, werde ich nicht kaufen. Es könnte durchaus sein, daß ich ein Buch, das ich gekauft habe, bespreche. Seit Wochen will ich eines diese Bücher besprechen; ich finde das ganz phantastisch und will es gern empfehlen. Ich hatte angenommen, dieses Buch sei vergriffen, und als ich zufällig entdeckte, daß es nach wie vor lieferbar ist, wollte ich es rezensieren.

Vorher aber habe ich beim Verlag angefragt, wie das denn mit den Lieferkonditionen ist. Die Pferdezeitung bietet bekanntlich den Service, Bücher direkt zu bestellen. Wer aufgrund einer Rezension zu dem Schluß gekommen ist, daß er das Buch erwerben möchte, soll nicht erst auf die Suche gehen müssen. Diese Direktbelieferung muß mit den Verlagen ausgehandelt werden. Ein ganz normaler Vorgang. Der betreffende Verlag hat nicht reagiert. Ich habe nachgehakt. Daraufhin habe ich eine unbefriedigende Teilantwort erhalten. Die haben es wohl alle nicht nötig.

Nach solchen Erlebnissen habe ich mehreren Verlagen schriftlich mitgeteilt, daß ich auf diese Rezensionen durchaus verzichten kann. Dann wird die Pferdezeitung eben ohne Rezension erscheinen. Der redaktionelle Verlust wird sich sicherlich durch etwas anderes ausgleichen lassen. Ich habe zwar noch keine Vorstellung, aber es wird mir schon etwas einfallen.

Ein Verlag hat daraufhin kundgetan, man wolle sich bemühen. Ich bin mal gespannt. In dieser Woche habe ich jedenfalls kein Buch, das ich besprechen könnte. Das war mir eine Nachricht wert. Die Leser sollten wissen, wie die Situation ausschaut. Vielleicht interessiert es auch die Autoren.

Aufmerksamkeit
Von › Werner Stürenburg

Im Hauptartikel dieser Woche habe ich den Besuch auf einem ungarischen Gestüt beschrieben (» Die Künste eines Csikós). Der Höhepunkt bestand in einer Vorführung der reiterliche Künste ungarischer Hirten.

Während meine Kollegen anschließend die Gelegenheit wahrnahmen, sich auf einen Gaul zu setzen, nutzte ich die Zeit, die Csikós zu beobachten. Die standen ganz entspannt außerhalb der Umzäumung und schauten sich die Touristen an. Selbstverständlich mit ihren Pferden.

Dabei machte ich einen interessante Beobachtung, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Die Pferde standen dicht am Zaun, mit dem Maul direkt über dem Zaun oder sogar etwas davor, direkt neben ihren Reitern.

Sie waren vollkommen ruhig und durchaus wach. Jederzeit konnten sie wieder gefordert sein, und tatsächlich machte sich einer der Reiter flugs auf den Weg, um ein Touristenauto auf den Parkplatz zu geleiten.

Die Hirten unterhielten sich ein bißchen, für sie neigte sich der Tag dem Ende zu, ein Tag voller Routine, der sich von dem vorherigen oder dem kommenden vermutlich kaum unterschied. Da sie jeden Tag miteinander diese Vorführungen absolvierten und sich ohnehin schon alles Wissenswerte im Laufe des Tages mitgeteilt hatten, war die Stimmung entsprechend gelöst.

Da ging eines der Pferde einen Schritt zurück. Das war vermutlich nicht einmal Eigenwille, auf gar keinen Fall Widersetzlichkeit. Ich hatte den Eindruck, das Pferd wollte einfach die Stellung wechseln, so wie man vielleicht Standbein und Spielbein wechselt, wenn man lange genug stehen muß.

Ohne Hektik, aber auch ohne Verzögerung griff der betreffende Hirte nach hinten, ohne sich umzusehen, und holte das Pferd wieder einen Schritt nach vorn, indem er kurz ins Halfter griff. Die anderen Hirten reagierten überhaupt nicht, was ich als ein Zeichen dafür nahm, daß diese Handlung selbstverständlich war. So machte man das, so mußte man das machen, so war das richtig, und wenn man das nicht so machte, kam man in Teufels Küche.

Was war hier geschehen? Der Hirte hatte die Dominanz geklärt, wie wir das heute sagen würden. Das Pferd hatte eigenmächtig etwas getan, und er hatte das nicht durchgehen lassen. Er hatte das Pferd keineswegs gestraft, er hatte lediglich die Verhältnisse wiederhergestellt, ohne dabei Druck auszuüben. Er hatte überhaupt gar kein Theater darum gemacht, sondern lediglich unverzüglich reagiert.

Die Voraussetzung für ein solches Handeln ist Aufmerksamkeit. Oberflächlich betrachtet kümmerte sich der Hirte überhaupt nicht um sein Pferd. In Wirklichkeit aber hatte es ständig im Auge und merkte daher sofort, daß er reagieren mußte. Wenn er dem Pferd diese Eigenmächtigkeit durchgehen ließe, würde das Pferd das sehr wohl registrieren und bei nächster Gelegenheit sich eine weitere Eigenmächtigkeit herausnehmen.

Aus Pferdesicht war sein Verhalten konsequent. Ein Pferd würde einem anderen Pferd gegenüber ein solches Verhalten ebenfalls nicht durchgehen lassen. Um die Verhältnisse wiederherzustellen, würde vermutlich die Bewegung eines Ohres oder eine leichte Stellungsänderung des Kopfes ausreichen - die Reaktion würde aber unmittelbar erfolgen. Nennt man das "Pferdesprache"?

Die geschilderten Mechanismen haben meines Erachtens mit Pferden nichts zu tun; mit Hunden muß man genauso umgehen, und vermutlich mit jeder anderen Tierart ebenso. Was sage ich: auch unter Menschen gilt diese Regel. Wenn ich als Lehrer einem Schüler etwas durchgehen lasse, kann ich sicher sein, daß derselbe Schüler oder ein anderer bald einen weiteren Test fahren wird. Wenn ich nicht sofort reagiere, werde ich später reagieren müssen, und je später ich reagiere, desto drastischer werden meine Maßnahmen sein müssen. Die Schüler werden nicht locker lassen, bis ich die Grenzen klar markiert habe.

Mein Tipp für diese Woche: Achten Sie einmal auf Ihre Aufmerksamkeit! Aufmerksam zu sein ist nicht anstrengend - jeder Autofahrer weiß das. Man muß höllisch aufmerksam sein, wenn man Auto fährt, aber man kann gleichzeitig entspannt sein und sogar verschiedene Dinge nebenher machen, zum Beispiel sich mit dem Beifahrer unterhalten.

Wer aufmerksam ist, hat weniger Probleme, und das gilt auch für Pferde. Pferde sind immer aufmerksam - eine gute Gelegenheit, von Pferden zu lernen.