| | Fuchsjagd, Touristenbusse im Hintergrund | | | |
| | | Im Sinne der Dramaturgie war nun wieder Action angesagt. Eine Fuchsjagd sollte stattfinden, bzw. ein kleines Spiel, das sich als Fuchsjagd ausgab. Die fünf Hirten sollten sich gegenseitig eine Trophäe abjagen, ein Tuch, und diese Jagd ging so schnell, daß die Zuschauer keine Chance hatten, das Objekt der Begierde zu identifizieren.
Auf jeden Fall war nun wieder Tempo und Sensation angesagt, und auf diese Steigerung setzten die Burschen noch eins drauf, indem sie zeigten, wie schnell die Pferde wirklich rennen können. Das Publikum war sehr beeindruckt, und den Pferden schien es auch gut zu gefallen, für eine Runde einmal richtig Gas zu geben.
Da war ich mit meinen fotografischen Künsten ziemlich überfordert, so schnell konnte ich nicht hinterher. Als Höhepunkt warf einer der Reiter seinen Hut ins Publikum.
Und dann mußte das Tempo wieder gesenkt werden: Ein Esel betrat die Bühne, geritten von einem der wilden Hirten, der den Beweis erbringen wollte, daß man alle diese Kunststücke auch mit einem Esel machen kann.
Und in der Tat: Der Esel legte sich hin, schien das Geknalle der Peitsche nicht zu hören, setzte sich auf die Hinterbacken, und das Publikum war zufrieden. Als kleine Einlage war das in Ordnung.
Dann durften, um das Tempo noch weiter zu senken, die Ochsen ihren Karren einmal über den Platz ziehen, und damit war die Vorstellung zu Ende, alle Beteiligten stellten sich noch einmal auf für den verdienten Abschlußbeifall des befriedigten Publikums.
Nun sollte das Publikum selber reiten dürfen! Auch das gehört zum stehenden Programm der ungarischen Gestüte und Tourismusprogramme. Zwei Pferde waren gesattelt worden. Das eine machte den Eindruck, als hätte es eine Schlaftablette geschluckt; darauf wurden die Leute gesetzt, die noch nie auf einem Pferd gesessen hatten.
Das andere war etwas munterer, aber ebenfalls vollkommen ungefährlich. Auf diesem Pferd durften die Leute sitzen, die sich vor einem leichten Trab nicht fürchteten.
Da nun viele Leute die Gelegenheit ergreifen wollten, hatte ich Zeit, die Hirten zu beobachten, die nun eine Pause einlegen durften. Und dabei habe ich dann die Beobachtung gemacht, über die ich im Tipp dieser Woche berichte ( Aufmerksamkeit).
Dann schlenderten wir alle wieder zurück zu den Bussen und machten uns auf den Weg zum Csarda, der Puszta-Kneipe. Die Bratspieße, die uns gleich anfangs in die Augen gesprungen waren, war nicht für uns bestimmt. Die Kapelle aus sechs Musikern, die sich einspielte, ebenfalls nicht.
Das Restaurant lag einige Kilometer weiter, gehörte aber ebenfalls zum Gestüt. Leider konnten wir nicht draußen sitzen, weil wir so viele waren, denn in Ungarn war es wesentlich heißer als bei uns. Die drei Musiker, die uns auf spielten, taten ihr Bestes, oder besser: Sie spielten das, von dem sie meinten, daß Touristen es hören wollen.
Der Geiger umschmeichelte einzelne Leute, vorzugsweise Frauen, um zusätzliche Trinkgelder einzukassieren und seine CD zu verkaufen. Die war frisch auf einem PC kopiert, ohne jegliche Beschriftung, und kostete sage und schreibe 15 EUR. Ich habe eine erworben, denn der geschäftstüchtige Musiker hat in mir sofort sein wehrloses Opfer erkannt: ich konnte nicht nein sagen.
Ich tröstete mich: Es nützt einem armen ungarischen Musiker, aber gleichzeitig war mir natürlich klar, daß das vielleicht eine fromme Selbsttäuschung ist. Möglicherweise verdient dieser Musiker wesentlich mehr an den ahnungslosen Touristen, die massenweise an seine Tische gespült werden, als ich Westler, der ich dem armen gebeutelten Ungarn gegenüber ein schlechtes Gewissen habe, weil es uns doch so gut geht.
Die Fotografen hatten Tapeziertische auf dem Parkplatz direkt vor den Bussen aufgestellt und boten dort ihre Schnappschüsse feil. Ein Abzug kostete 5 Euro, was ich ungeheuer überzogen fand. Trotzdem habe ich ein Bild gekauft und auch diese Ausgabe mit derselben Begründung gerechtfertigt.
So durfte ich mich nun vollends als Tourist fühlen und getrost wieder nach Hause fahren. Wer hätte das gedacht? Ich reise zu einer Arbeitssitzung nach Budapest und komme in den Genuß einer Csikós-Vorführung! Das hätte ich mir nicht träumen lassen.
Wie gut, daß ich meine neue Kamera dabei hatte und immer feste draufgehalten habe. Zwar habe ich befürchtet, daß vor Ablauf der Veranstaltung die Speicherkarten voll ist oder der Akku leer, aber ich habe Glück gehabt: zum Schluß hatte ich sogar noch ein Dutzend Bilder frei.
Herausgekommen ist ein Bildschirmschoner mit sehr vielen Bildern, weil ich keine Möglichkeit sah, diese Veranstaltung in Teile zu zerlegen. Ich wollte auch nicht einfach willkürlich Aufnahmen herauslassen, die für sich genommen durchaus aussagekräftig sind. Ich bin gespannt, ob solche "großen" Bildschirmschoner auch ihre Liebhaber finden.
Quellen
Abbildungen © Gerd Hebrang
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