Der Vergleich zum Herzzentrum liegt nahe: das liegt nämlich gerade um die Ecke. Hier werden täglich und routinemäßig Herzen verpflanzt. Vor 20 Jahren war das noch ein Abenteuer. Wie war das mit der Stutenmilch damals? "Mein Großvater hat natürlich von Hand gemolken, aber das war kein Dauerzustand. Wir haben dann Pionierarbeit geleistet, ein Hersteller von Melkmaschinen für Kühe hat mit uns zusammen Änderungen entwickelt, die das Melken von Stuten mit der Maschine ermöglicht haben."
Wie bei Kühen wird mit einer Vakuumpumpe gearbeitet; alles ist kleiner und feiner, vor allen Dingen feiner einzustellen. Die Stute wird dazu in ein Gestell geführt und nimmt anfangs ihr Fohlen mit. Die Haflinger sind aufgrund ihrer allgemeinen Gutmütigkeit besonders gut geeignet; bei hochblütigen Pferden kann die Sache schon mal brenzlig oder auch gefährlich werden.
Sollte das Fohlen ausfallen, setzt die Milchproduktion innerhalb von 48 Stunden aus. "Das hängt mit dem Fluchtinstinkt zusammen: ein Wildpferd kann es sich nicht leisten, seine Fluchtfähigkeit zu beeinträchtigen." Wenn die Milch nicht abgepumpt wird, tut das Euter auch weh.
"Das Fohlen ist daher unser höchstes Gut", weiß Ulrich Böker. Ohne Fohlen keine Milch. Die Fohlen sind also auf diesem Hof nicht das Hauptprodukt, sondern Mittel zum Zweck. Damit stellt sich aber ein neues Problem: Wohin mit den 30 Fohlen, die pro Jahr anfallen? Ulrich Böker: "Gute Fohlen verkaufen sich natürlich leichter als mittelmäßige oder schlechte. Es lag also nahe, sich züchterisch soweit zu engagieren, daß die Fohlen entsprechende Marktpreise erzielen."
Das ist dem Stutenhof Biebensgrund perfekt gelungen. Die Fotos, die ich 1999 vom Haflingermagazin "Haflinger aktuell" bekommen hatte, zeigten schicke, leistungswillige, moderne Sportpferde, die mit dem alten Haflingertyp nicht mehr viel gemein hatten. "Man muß sich entscheiden", erklärte Ulrich Böker. "Wenn man weiterhin einen Typ züchten will, der heute nicht gebraucht wird, wird man die Konsequenzen tragen müssen."
Ulrich Böker wußte, daß die Dürkopp-Werke in Bielefeld nach dem Zweiten Weltkrieg noch Haflinger importiert haben, und zwar als Arbeitspferde. In den sechziger Jahren gab es dann den großen Umbruch; es sah so aus, als sei für Pferde in dieser Welt kein Platz mehr. "Mein Urgroßvater hat vor dem Krieg als erster einen Trecker eingesetzt: den hat er selbst über die Autobahn von Hannomag aus Hannover geholt."
"Dürkopp hat die Pferde auf die fetten Weiden gestellt, und da sind sie auseinander gegangen wie die Hefeklöße. Und sie sind größer geworden: das Stockmaß ist von 1,38 m auf 1,48 m gewachsen, und manch ein Pferd hat die Rehe bekommen. Man kann eine Rasse nicht konservieren." Und dann kommen wir auf das "Reizthema" Araber.
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