Ich hatte mir schon Wochen vorher Gedanken über den Namen des Fohlens gemacht. Wenn es ein Hengst werden würde, sollte er Finnabair (oder abgekürzt Finn) heißen. Den Namen hatte ich in einem Buch über irische Mythen und Sagen entdeckt. Für eine Stute hatte ich nichts Schönes gefunden, also ging ich davon aus, daß es wohl ein Hengstfohlen werden würde. Und so war es auch.
Finn lag im Gras. Über ihm stand schützend seine Mutter und ein paar Meter entfernt auch Tante Dittchen. Sie hatten die Arbeit ganz allein erledigt. Uns wunderte das gar nicht besonders. Komplikationen waren nicht angekündigt worden, und vom Gebären verstehen eigentlich auch diejenigen am Meisten, die es letztendlich tun. Wieso sollten sie dazu auch unbedingt einen Tierarzt benötigen?
Finn war einfach bezaubernd. Wir näherten uns ganz vorsichtig. Cara schien es jedoch überhaupt nicht zu stören, daß wir kamen. Sie hatte Vertrauen zu uns. Das Fohlen wirkte wirklich ganz "frisch". Seine Hufe waren noch weich, hell beige und absolut sauber. Und er roch mindestens so gut wie ein kleines Baby.
Diesen Geruch werde ich wahrscheinlich mein ganzes Leben lang nicht vergessen. Sein Fell war fuchsfarben, wie das seiner Mutter, aber an manchen Stellen (vor allem den Beinen) so hell, daß es fast beige wirkte.
Er war noch ein wenig feucht vom Fruchtwasser. Ein bißchen verschlafen wirkte er auch, so als hätte er noch nicht wirklich realisiert, an welchem seltsamen Ort er jetzt angekommen war. Ich verliebte mich natürlich auf den ersten Blick.
Cara schien zwar ein wenig erschöpft, aber ansonsten sehr ausgeglichen und zufrieden zu sein, vielleicht sogar ein wenig stolz (natürlich zu Recht). Ich bin überzeugt, daß Dittchen ihr die ganze Nacht beigestanden hat. Smoky stand am anderen Ende der Wiese und kümmerte sich nicht weiter um den Neuankömmling. Er hätte wahrscheinlich auch ziemlichen Ärger bekommen, hätte er versucht, sich dem Fohlen zu nähern.
Finn konnte auch schon stehen (wenn er das Aufstehen erst einmal hinter sich gebracht hatte) und saugen. Und wie. Mit einem Heißhunger schluckte er die Milch und schmatze nachher wohlig. Dabei bekam er einen ganz verträumten Gesichtsausdruck.
Unser Vater rief zur Vorsicht den Tierarzt. Er sollte sich Mutter und Kind einmal anschauen. In der Zwischenzeit legten Leevke und ich uns zu Finn ins Gras und genossen das herrliche Wetter und die Nähe dieses frisch geborenen Wesens.
Über uns stand Cara und hielt Wache. Vielleicht hätten wir die Beiden erst einmal mit sich alleine lassen sollen. Aber wir waren einfach wie verzaubert. Und wann hat man schon mal die Gelegenheit, ein junges Fohlen so ausgiebig zu kuscheln. Die meisten Stuten würden das gar nicht zulassen.
Am Nachmittag dann startete Cara das Trainingsprogramm. Finn konnte ja schon stehen, und um seine Muskeln aufzubauen, sollte er nun auch ausgiebig laufen. Sie trabte Runde um Runde. Finn trabte und galoppierte neben- oder hinterher.
Ich hatte natürlich vorher schon davon gelesen und gehört, aber nun konnte ich es zum ersten Mal selbst mitverfolgen. Obwohl er erst einige Stunden zuvor geboren worden war, konnte Finn schon (mehr oder weniger) all seine Gliedmaßen koordinieren! Und das bei solch unglaublich langen und staksigen Beinen.
Er machte einen außerordentlich gesunden und kräftigen Eindruck (für sein Alter). Es ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, wie unselbstständig und hilfebedürftig kleine Menschenkinder dagegen sind.
Dies ist einer der Tage, die bei mir einen unglaublich nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Und wieder einmal haben die Pferde mir diese Erfahrung ermöglicht.
Quelle
Abbildungen
© Gerd Hebrang
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