Wie aus obiger Schilderung leicht ersichtlich, befinden wir uns im Jahre 450 nach Christus in einem Heerlager der Hunnen, wo Attila einen Schaukampf für befreundete Stämme veranstaltet, um das Können seiner Krieger vorzuführen.
Der Krieger, die über einige Jahrhunderte dafür verantwortlich waren, dass in vielen Kirchen im Westen eine eigene Fürbitte in das Messritual eingefügt wurde: "A sagittis Hungarorum libera nos domine!" (Von den Pfeilen der Hunnen befreie uns, O Herr!).
Irrtum! Die Zeit ist noch immer das 21. Jahrhundert, der Autor dieser Zeilen ist Brillenträger und Computerarbeiter und vom Äusseren her keinesfalls mit einem Hunnen zu verwechseln.
Wir befinden uns in Kaposdada, einem Dorf südlich des ungarischen Balaton, im Tal des Lajos Kassai. Hier finden heute, so wie jedes Jahr am dritten Wochenende im September, die Herbstwettkämpfe im Bogenschiessen vom Pferd statt.
Insgesamt werden heute 22 Männer und Frauen (auf den insgesamt 4 Reitbahnen in Ungarn sind es 66 Leute) zeigen, was sie können und dass sie ihren Rang, der sich in der Farbe ihres Kaftans ausdrückt, durch hartes Training zu Recht erworben haben.
Hierher nach Kaposdada sind fast nur Ungarn gekommen, Pettra und Abdul Majid vertreten Deutschland und ich darf Österreich repräsentieren.
Kaposdada ist ein besonderer Ort, nicht nur eine Reitbahn unter anderen. Hier lebt und arbeitet Lajos Kassai, der Mann, der die besten Reiterbögen der Welt baut.
Der Mann auch, der das Bogenschiessen vom Pferd nach vielen hundert Jahren aus seinem Schlummer gerissen und einen Wettkampfsport und eine Kampfkunst daraus gemacht hat. Bislang auch der einzige, der den schwarzen Kaftan des ersten Meistergrades trägt – wir werden noch sehen, was es damit auf sich hat.
Auf diesen 15 Hektar lebt nicht nur er, sondern auch immer mindestens 12 Pferde – Hengste und Wallache – die er selbst trainiert hat, für die regelmässig stattfindenden Trainings, Wettkämpfe, aber auch Shows für das interessierte Publikum, vor allem Schulklassen, die einmal einen etwas anderen Geschichtsunterricht bekommen sollen.
Das Tal enthebt uns Reiter von weither der Mühe, unsere eigenen Pferde mitzunehmen – die besten sind schon da. Gestern habe ich mich für Mére entschieden, ich kenne ihn schon lange, habe letztes Jahr auf ihm meine erste Prüfung gemacht und ihn auch schon oft im Training gehabt.
Ein wunderbarer Partner, einfühlsam und stark. Allerdings muss ich heute feststellen, dass er auch hochsensibel bis übernervös sein kann: Vor allem der Trommellärm scheint ihn so aufgeputscht zu haben, dass er mit jedem Ritt schneller zu werden scheint: beim letzten der 9 Galopps macht er die neunzig Meter in etwa acht Sekunden – und das übersteigt einstweilen noch meine bescheidenen Fähigkeiten, bei grossen Geschwindigkeiten mehrere gezielte Schüsse abzugeben, und führt daher konsequenter Weise zu einem relativ niedrigen Resultat.
|