Wir haben bereits zur Kenntnis genommen, daß die Bundesländer Brandenburg und Sachsen jeweils einen Teil des sorbischen Sprachgebiets umfassen, die Niederlausitz und die Oberlausitz, wo jeweils unterschiedliche Sprachen gesprochen werden.
In der Niederlausitz (60 Ortschaften, Kreise Cottbus/Chosebuz, Spremberg/Grodk, Calau/Kalawa, Lübben/Lubin, Guben/Gubin und Forst/Barsc) ist die sorbische Sprache stark im Verschwinden. Diese Region ist besonders durch den Spreewald bekannt und touristisch gut erschlossen.
Die Braunkohleindustrie (Kombinat Schwarze Pumpe) hat die Zerstörung des Lebensraums der Sorben beschleunigt (Der Aufbau des Braunkohlenkombinates Schwarze Pumpe – ein Fallbeispiel für die Auswirkung der Industrialisierung auf das sorbische Ethnikum, aus: Edmund Pech, Die Sorbenpolitik der DDR 1949–1970, Anspruch und Wirklichkeit, Dissertation 1998, » Inhaltsverzeichnis, siehe auch » Rezension).
Durch den Zuzug deutscher Arbeitskräfte setzte sich Deutsch als Umgangssprache am Arbeitsplatz durch. Die Sorben assimilierten sich zunehmend. Anscheinend herrschte selbst im zweisprachigen Gebiet keine klare Vorstellung über die Sorben.
Es gab auch anti-sorbische bzw. anti-slawische Ressentiments unter den Deutschen, was angesichts der Vergangenheit kaum verwundern dürfte. "Pech stellt fest, dass sich ökonomische und soziale Veränderungen in der ostdeutschen Gesellschaft als die entscheidenden 'Assimilationsbeschleuniger' erwiesen." (Peter Schurmann, » Rezension)
Damit dürfte die prekäre Situation der Sorben hinreichend deutlich sein. Es gibt zur Zeit etwa 60.000 Sorben, von denen 15.000 katholisch sind. Unter diesen gibt es einige, die den Brauch des Osterrittes pflegen.
Der Osterritt ist also keine allgemeinen sorbische Angelegenheit, sondern hat sehr viel mit der katholischen Kirche zu tun. Kantor Hubert Kahle betont die Rolle der Kirche im Kampf um das Überleben seines Volkes: "Die Kirche hat die Sorben erhalten."
Für ihn bedeutet insbesondere der Osterritt eine tiefe Verbundenheit zu seinem Gott und zu seinem Volk. Während seiner Zeit bei der Nationalen Volksarmee mußte er einmal aussetzen: "Ich wäre fast den Tod gestorben." Im Geiste hat er die anderen begleitet und "tief drin" seine Verbundenheit gespürt hat.
Es ist eine Verbundenheit in zwei Richtungen. Die Verbundenheit mit dem eigenen Volk können wir vielleicht leichter nachvollziehen als die Verbundenheit mit der Kirche.
In Westdeutschland sind die Kirchen leer, außer an Ostern und Weihnachten. An diesen hohen Festen sind die katholischen Kirchen in der Oberlausitz "etwas voller", wie Hubert Kahle zugibt, um gleich zu betonen, daß hier die Uhren anders gehen: "Wir haben jeden Tag Gottesdienst, und am Sonntag sogar dreimal, auf sorbisch und auf deutsch."
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