Aus den mir vorliegenden Unterlagen wird mir nicht sofort deutlich, in welcher Reihenfolge die Figuren entstanden sind, welche Bearbeitung eine spätere beeinflußt hat, welche mißlungenen Versuche möglicherweise ebenfalls zu bewundern waren.
Das interessiert mich aber auch nicht besonders und bleibt einer gesonderten Untersuchung vorbehalten - vielleicht bekommt ja einmal jemand Lust, diese Geschehnisse systematisch aufzuarbeiten.
Das Fohlen als Teufelchen macht jedenfalls deutlich, daß auch die negative Kraft ihren Reiz und ihre Anmut hat, daß sie notwendig ist für den Gang dieser Welt. Das Engelchen demgegenüber wirkt abgeklärt und gelangweilt, ein wenig erstarrt in positiver Haltung, weniger aufregend und anregend, als hätte es eine schwerer Bürde zu tragen.
Bei beiden Abbildungen kann man übrigens im Hintergrund die unsäglichen Graffitti erkennen, die offenbar auch Freiburg wie ein Krebsgeschwür überziehen. Welch ein klarer Kontrast!
Hier die kreative Auseinandersetzung mit einem starken Kunstwerk, dort die Überform des "Ich war hier und ich will, daß ihr das zur Kenntnis nehmt, wenn ich schon sonst bedeutungslos bin - außerdem traue ich mich nicht, mich anderweitig zur Geltung zu bringen, und kann mich zu meinem Machwerk natürlich auch nicht bekennen."
Wie kann man nun diese Explosion des Schöpferischen verstehen? Warum findet das ausgerechnet in Freiburg statt, warum nicht in München, Köln oder Berlin? Wieso hält sich diese Begeisterung über dreißig Jahre? Wie äußern sich die kreativen Kräfte der Bevölkerung anderswo?
Anscheinend überhaupt nicht. In anderen Großstädten steht genug Kunst herum, aber keins dieser Kunstwerke findet eine besondere Resonanz, jedenfalls wüßte ich nichts dergleichen. Ein Rätsel. Ich muß schon lange suchen, bis ich ein verwandtes Phänomen finde.
Die einzige Parallele mit vergleichbaren Dimensionen, die mir einfällt, ist die Open Source-Bewegung, die der Allgemeinheit vor allen Dingen durch das Produkt » Linux bekannt geworden ist.
Da haben sich doch weltweit Hacker zusammengefunden und ohne kommerzielle Interessen eine hochwertige Software entwickelt, die zumindest im Bereich des Internet alle anderen kommerziellen Produkte auf die Plätze verwiesen hat.
Mehr als 60% aller Server weltweit arbeiten mit dem Betriebssystem Linux, und die Software, die den Surfern die Seiten des World Wide Web auf die Bildschirme liefert, ist ebenfalls Open Source, mithin kostenlos und öffentlich einsehbar (Open Source = offener Quellcode), mit dem schönen Namen » Apache.
Auf diesen Rechnern ist wiederum Software installiert, mit denen man Programme schreiben kann, die dynamische Webseiten generieren (» PHP und » Perl), wobei die Inhalte von einer Datenbank bereitgestellt werden (» MySQL), beides natürlich ebenfalls Open Source, alles zusammen bezeichnet als LAMP (Linux, Apache, MySQL, PHP/Perl). Dies nur als Beispiel für ein völlig neues Phänomen: hochwertige Software zum Nulltarif. Diese Webseite läuft natürlich auch unter LAMP.
Das versteht eigentlich keiner. Wie kann es sein, daß viele Menschen ihre besten Kräfte mehr oder weniger anonym unentgeltlich in den Dienst einer guten Sache stellen? Mehr noch, Open Source produziert Begeisterung, nicht nur ausgezeichnete Software, und das schon mindestens zwanzig Jahre lang, ohne daß ein Ende abzusehen wäre.
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