Brennweiten von Werner Stürenburg
| | Meine Tochter Leevke mit ihrem Connemara Smokey, aufgenommen vom Sattel aus bei einem Ritt über die Felder, durch Zoomobjektiv optimal ins Bild gerückt | | | | Vor etwa 30 Jahren habe ich meine Kamera gekauft. Damals wußte ich schon, daß die Fotografie für mich wichtig ist.
Ich hatte mit verschiedenen Kameras experimentiert, die ich mir geliehen hatte, als Student hatte ich eine preiswerte Spiegelreflexkamera gekauft, die ich dann meinem Bruder geschenkt habe.
Die neue Kamera war teuer, eine der besten auf dem Markt, mit einem lichtstarken 50 mm Objektiv. Diese Brennweite nennt man beim Kleinbildformat (24*36 mm) normal.
Heutzutage, mit all den verschiedenen neuen Formaten, bezieht man die Brennweiten immer noch auf das Kleinbild, weil dieses sich in 80 Jahren in den Gemütern festgesetzt hat, genauso wie PS. Kleinbild steht sozusagen für einen Standard, nach dem sich alles richtet.
Die Kleinbildkameras wurden um ein Format herum gebaut, das eigentlich für Kinofilme entwickelt worden war. Dieses Material war billig, die Kameras extrem klein, und erstmals war es möglich, aus jeder Lebenslage, in jeder Situation zu fotografieren. Sehr schnell setzte sich die neue Technologie durch und wurde immer wieder verbessert, aber kaum verändert.
Der Clou an Spiegelreflexkameras ist, daß man immer durch das Objektiv hindurchschaut, wenn man das Motiv anpeilt. Man kann durch Auswechseln des Objektivs auf andere Brennweiten wechseln und damit die Perspektive verändern. Je größer die Abweichung von der normalen Brennweite, desto stärker der Effekt.
Bei einer Spiegelreflex sieht man immer genau, was später auch auf dem Foto sein wird, im Gegensatz zu einer sogenannten Sucherkamera, bei der man nicht durch das Objektiv schaut, sondern durch ein Extrafenster. Bei den meisten Sucherkameras kann man das Objektiv nicht auswechseln. Heutzutage haben viele allerdings Zoomobjektive, bei denen die Brennweite verändert werden kann.
Das Problem ist, daß man nicht genau weiß, was später auf dem Foto sein wird. Im Sucherfenster sind Markierungen angebracht, die die Orientierung erleichtern sollen; exakt ist das nicht. Der Vorteil ist, daß eine Sucherkamera meistens viel kleiner und leichter ist als eine Spiegelreflex (und billiger noch dazu).
Vor ein paar Jahren habe ich mir auch eine Sucherkamera gekauft. Mein Bruder schwärmt mir schon seit Ewigkeiten davon vor. Er hat seine kleine Olympus µ immer dabei, während ich einen Riesenklotz mit mir herumschleppe.
Zwar ist der eigentliche Kamerakorpus auch relativ klein, die Kamera hat jedoch keinen Motor eingebaut; der Motor ist relativ klobig und wird angeflanscht. Dazu setze ich dann fast immer ein riesiges Objektiv ein mit einer Brennweite 70-210 mm, also ein Tele-Zoom.
Es hat sich nämlich herausgestellt, daß das Normalobjektiv zwar ganz nett ist, aber meistens viel zuviel darstellt. Oder anders gesagt: es ist klein, man kann mit relativ wenig Licht fotografieren, aber man muß doch ziemlich nahe rangehen, damit nicht zuviel uninteressante Staffage auf dem Bild ist.
| | Schnappschuß aus diesem Sommer, mit Zoomobjektiv aus größerer Entfernung aufgenommen - die intime Szene wird nicht gestört, der Betrachter ist trotzdem nah dran | | | | Wenn man den Leuten nun so auf die Pelle rückt, fühlen sie sich unwohl. Mit einem Teleobjektiv kann ich die Szene heranholen. Je größer die Brennweite, desto stärker der Effekt. Mein Objektiv ist natürlich auch schon 30 Jahre alt und hat eine Verdreifachung, heute kriegt man Vervierfachungen, die noch dazu kleiner sind.
Das Objektiv hat auch eine Makroeinstellung. Das bedeutet, daß man statt in die Ferne scharf zu stellen, nun in den Nahbereich vordringen kann, Sie wissen schon: Bienen und Blüten. Das interessiert mich allerdings wenig. Es hat eine Weile gedauert, bis ich entdeckt habe, daß man mit der Makroeinstellung auch in die Ferne gehen kann.
Man bekommt dann nämlich Menschen sehr gut ins Bild. Man sitzt einfach auf normale Distanz zusammen, rückt sich also nicht auf die Pelle, mit einem Normalobjektiv würde man uninteressante Fotos machen, aber mit dem Zoom und der Makroeinstellung ist man ganz nah dran. Absolut phantastisch!
Niemand fühlt sich belästigt, alle unterhalten sich locker, und der Fotograf schießt inzwischen die interessantesten Fotos. Und wenn es losgeht, stellt er einfach wieder auf normal um und kann dann auf dem Ritt ebenfalls die Motive nah heranholen. Der Nachteil ist natürlich das schwere Gerät.
Die kleinen Sucherkameras mit den Zoomobjektiven haben keine spektakulären Zoomwerte und auch kein Makro, dafür kann man sie leicht in die Brusttasche stecken. Ich persönlich fand keinen Gefallen an der Sucherkamera und habe sie weiterverkauft.
Ein Grund dafür ist vielleicht auch, daß ich diese Kamera schon so lange habe und so gut kenne und nicht darüber nachdenken muß, wie sie funktioniert. Es ist einfach ein gutes Werkzeug. Vielleicht bin ich auch einfach zu träge und faul und geizig, mich auf neue Sachen einzulassen.
Der Verkäufer hatte mich damals ausgelacht, als ich ihm sagte, daß ich eine Kamera fürs Leben kaufen wollte: sowas gibt es heute nicht mehr, belehrte er mich. Möglicherweise hatte er unrecht, aber es ist noch zu früh, um darüber zu urteilen.
| | optimaler Ausschnitt
Aufnahme von der PferdeStark 2001 | | | | Der Trick an einem Zoomobjektiv besteht darin, daß man den Ausschnitt möglichst eng wählt, ohne dabei wesentliche Teile abzuschneiden.
Bei einem Pferd sollten also Kopf, Ohren, Schweif und Hufe möglichst die Bildränder berühren: näher kann man an das Pferd nicht herankommen.
Wenn man die Sache mit dem Ausschnitt einmal verstanden hat, kann man nachträglich noch manipulieren.
Früher war das ein Problem. Eine Ausschnittvergrößerung ist Handarbeit und entsprechend teuer, wenn man es nicht selber machen kann. Heute legt man einfach ein Papierbild in den Scanner und nimmt den Ausschnitt im Grafikprogramm.
Man kann natürlich die Auflösung nicht größer machen als das Korn des Papierbildes. Normalerweise scanne ich Papierbilder mit 300 dpi ein, wenn der Bildgegenstand sehr klein ist, kann ich diesen Wert vielleicht vergrößern. Ein unscharfes oder grobkörniges Bild, daß das Motiv füllend zeigt, ist allemal eindrucksvoller als ein scharfes Bild mit einem winzigen Bildgegenstand.
Aber nicht nur der Ausschnitt wird durch die Brennweite bestimmt, sondern auch die Perspektive. Jeder kennt das von Weitwinkel-Objektiven. Je kleiner die Brennweite, desto dramatischer der Effekt, der schließlich in die Froschperspektive umkippt. Wenn man dann auch noch nahe herangeht, bekommt man leicht die typischen Verzerrungen: Knollennase, Riesenhände usw.
Beim Zoomobjektiv wird umgekehrt die Tiefendimension heruntergespielt. Wenn man also einen Sportwagen mit einem Weitwinkel aufnimmt, erscheint dieser endlos lang; mit dem Zoom kann man ihn dann ganz kompakt und bullig darstellen. Dasselbe geht natürlich auch, wenn man den Sportwagen durch ein Pferd ersetzt.
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