 |  | Gehts bald weiter? - On Tour |  |  |  | Die folgenden Wochen waren die "Gewöhnungswochen". Mit dem eigenen Pferd traut man sich ja doch eher, was auszuprobieren.
Die Stundenausritte wurden auf 2-3 Stunden verlängert, müde wurde sie jedoch nie. Bergauf und bergab in allen Variationen waren auch kein Problem.
Galoppieren musste sie wieder lernen: es dauerte eine ganze Weile, bis sie den Vorteil eines gemütlichen Galopps gegenüber einem hektischen Stechtrab eingesehen hat.
Dann kam eine Situation, in der ich schon mit meinem kurzen Pferdebesitzerdasein abgeschlossen hatte: Wir ritten an einer schmalen, gerade noch zweispurigen, aber gut belebten Straße - der einzige Zugang ins Reitgelände nach Süden, der erst ein Stück weiter überquert werden konnte.
Direkt hinter uns eine unübersichtliche Kurve, rechts von uns 40 cm Bankett und genau hier mußte der Lastzug kommen, vollbeladen mit Stahl-Türzargen. Die klapperten ohrenbetäubend und mein Pferd Bella - machte nichts! Sie wackelte nicht mal mit den Ohren, als das Fahrzeug an ihr vorbeidonnerte. Also verkehrssicher ist sie, das war jetzt klar.
Aus Kleinanzeigen organisierte ich mir in den Folgewochen die notwendige Pferdeausrüstung, ich konnte mir ja nicht ewig alles ausleihen. Für mich selber blieb da nichts mehr übrig.
So musste ich meinen Ruf des bunten Hundes pflegen, der erstens nicht mal eine Reithose, zweitens den seltsamen Schimmel hat und drittens stundenlang ausreitet, anstatt ordentlich in der Halle, oder wenigstens in der Bahn sein Pferd zu arbeiten.
Meine Bella hat zur Imagepflege auch feste beigetragen: Zu allen, außer dem Futtermeister und mir war sie stinkekelhaft. In der Herde beim Weidegang immer möglichst weit weg von den anderen und bloß nicht dann mit reinkommen, wenn alle anderen geholt werden.
Als die Pferdepflegerinnen schließlich frustriert beschlossen hatten, sie draußen zu lassen, kam sie vom hintersten Ende der Koppel angaloppiert, sprang über die ca. 4m breite Teerstraße, überholte die anderen im Stechtrab und ging in den Stall.
Aber nicht gleich in ihre eigene Box, sondern zuerst in die anderen fünf, um zu schauen, ob was zum Fressen in den Futtertrögen ist. Als die anderen endlich da waren, stand sie friedlich in ihrer Box, als ob nichts gewesen wäre.
Wegen ihrer fast permanenten, wirklich lästigen Rosse war sie oft genug das Stallthema - sie quiekte oft derart laut, dass es die umliegenden Höfe auch noch mitbekommen haben.
Der Hoftierarzt tippte auf eine Zyste oder ähnliches und wollte sie dann interessehalber mal untersuchen. Er konnte sich nur durch einen wieselflinken Sprung retten.
"Vielleicht tut ihr ja viel Sonne und Wärme gut", war dann sein Therapiebeschluß, den ich in diesem Fall gut verstehen konnte.
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