Ritter, Tod und Teufel
Dürer Ritter, Tod und Teufel 1513
Wie alle Soldaten im Laufe der Geschichte wird auch dieser Ritter auf seinem Weg in den Krieg nicht nur von Pferd und Hund begleitet, sondern auch von den Schemen von Tod und Teufel. Der Tod hält das Stundenglas in der Hand und reitet ein Pferd mit hängendem Kopf.
Albrecht Dürer, 1471-1528 Deutscher Maler, Grafiker und Schriftsteller, berühmt für seine Altargemälde und seine Holzschnitte, Kupferstiche und Handzeichnungen. Er war ein echter Renaissance-Mensch, der sich eingehend mit Mathematik, Latein und der humanistischen Literatur beschäftigte. Sein Werk ist von einer komplexen Ikonographie gekennzeichnet.
aus dem Buch Pferde mit freundlicher Genehmigung des Taschen-Verlags siehe auch Rezension
Kommentar Von Werner Stürenburg
Albrecht Dürer, das ist mir als kleiner Junge schon klar geworden, ist eine deutsche Größe. Was er aber wirklich geleistet hat, ist mir erst sehr spät bewußt geworden. Vor allem bei Dürer ist mir aufgefallen, daß das Werk eines Künstlers aus einzelnen Arbeiten besteht, die man auch einzeln kennenlernen und würdigen muß.
Neben meinem Bett in meinem Kinderzimmer hingen die Betenden Hände, die heute vermutlich nicht mehr so beliebt sind. Das nächste Blatt Dürers, das mir vertraut wurde, war der Hase.
Beides sind Beispiele für eine Arbeitsweise, die vor Dürer unbekannt war. Er hat Einzelheiten aus seiner Umgebung isoliert und für sich dargestellt. Das sind eigentlich Studien, die aber so perfekt sind, daß sie als eigenständige Kunstwerke in die Geschichte eingegangen sind. Sehr berühmt ist z. B. das Rasenstück, ein Ausschnitt aus einer Wiese.
Richtig populär wurde Dürer aber mit großformatigen Holzschnitten, z. B. unserem Blatt Ritter, Tod und Teufel.
Der Ritter
Auf der Gesamtabbildung kann man Einzelheiten nicht erkennen. Das ganze Blatt quillt über vor Einzelheiten, die alle vollkommen gleichmäßig ausgearbeitet sind.
Unter anderem ist der Kopf des Ritters sehr bemerkenswert. Es ist ein ganz modernes Gesicht, sozusagen der Prototyp des deutschen Helden, der ohne weiteres Eingang in die Blut-und-Boden-Kultur des Dritten Reiches gefunden hat. Der Helm des Ritters ist ein Vorgriff auf den deutschen Stahlhelm des 20. Jahrhunderts.
Viele Vorstellungen unserer Kultur sind von Malern geprägt worden. So stellt sich der Abendländer im allgemeinen Gott Vater so vor, wie sich der alte Leonardo da Vinci selbst porträtiert hat. Leonardo war ein sehr schöner Mann, und Albrecht Dürer stand ihm in keiner Hinsicht nach.
In seiner Jugend hat er sich mehrfach ganz prächtig dargestellt, einmal ganz offensichtlich in der Nachfolge Christi, aber aus seinem Alter ist kein Selbstporträt bekannt, und auch dieses Gesicht wird keines sein.
Der Ritter ist in sich versunken, bemerkt weder Tod noch Teufel, lächelt ein wenig in sich hinein und ist bereit, andere in den Tod zu schicken und notfalls auch selbst über die Klinge zu springen. Dieser Mann hat keine Bindungen, keine Freunde, keine Eltern, keine Frau und keine Kinder, er ist eine Kriegsmaschine, bereit, für den zu arbeiten, der ihn bezahlt. Zu Dürers Zeiten gab es schon (wieder) Landsknechte, Söldner, deren Handwerk der Krieg war, die an gar nichts glaubten und für schnöden Mammon ihr Vaterland verließen und in die Welt zogen, um dort Unheil anzurichten.
Vier Jahren nach diesem Holzschnitten hat Luther seine Thesen angeschlagen und auch Dürer stark beeindruckt. Die Mißstände in der katholischen Kirche waren seit vielen Jahren unübersehbar. Der Weltuntergang war 1500 nicht eingetreten, obwohl die Pest wütete und Flagellanten in Erwartung des Jüngsten Gerichts alles hinter sich ließen und geißelnd durch die Lande zogen. Es folgten die Bauernaufstände (auf die sich das Panoramagemälde von Tübke bezieht, das in der letzten Besprechung erwähnt wurde), die mit Söldnerheeren blutig niedergeschlagen wurden. Luther hatte sich auf die Seite der Fürsten geschlagen.
Die Reformation führte schließlich dazu, daß sich halb Europa bekriegte und nach dem dreißigjährigen Krieg fast entvölkert war. Erst dann kam es zu einem Friedensschluß, der für eine kleine Weile zu einer Erholung führte.
Die Entwicklung der Waffentechnik hat es dann möglich gemacht, daß im letzten Jahrhundert wesentlich größere Mengen an Soldaten und Zivilbevölkerung niedergemacht werden konnten, allerdings war die Bevölkerungszahl so stark gewachsen, daß eine Entvölkerung nicht mehr so leicht zu bewerkstelligen war. (Das kann man zur Zeit in Afrika beobachten, wo die Bevölkerung in 50 Jahren durch Aids und Bürgerkriege hinweggerafft sein wird.)
Die Ritter waren verarmt und verdingten sich als Söldner, wie unser Held, der den Eindruck eines anständigen Menschen macht, oder sie wurden kriminell und holten sich, was sie brauchten und wovon sie meinten, daß es ihnen ohne Arbeit zustände. Astrid Lindgren hat diese Entartung warmherzig und humoristisch beschrieben in dem Kinderroman Ronja Räubertochter. Dabei meinten die Raubritter, noch stolz auf ihr Rittertum sein zu können. Eine Zeit ging unter und eine neue kam herauf.
Tod und Teufel
Der Tod ist ein guter Mann bei Dürer, bis auf die abgefressene Nase gar nicht so furchterregend, ein Männchen, das auf seinen Klienten beschwörend einredet. Er hält ein Stundenglas mahnend in der Hand, damit man ihn auch ja erkennt. Unser Held läßt sich aber davon nicht beeindrucken, er lebt im Hier und Jetzt und weiß ohnehin, daß einmal, eher früher als später, sein Stündlein geschlagen hat.
Soweit kein Problem. Ein Krieger läßt sich durch den Tod nicht erschrecken. Er weiß sowieso, daß der Tod immer bei ihm ist.
Der Teufel wiederum ist schon gar kein Problem, denn dieser zockelt zu Fuß hinterher und ist eigentlich eine lächerliche Figur, zusammengebastelt aus allerlei Getier des Waldes, wobei der Kopf und die Schnauze zusammengemixt sind aus Wolf und Wildschwein. Merkwürdigerweise gab es auch zu Dürers Zeiten keine überzeugende Darstellung des Teufels, der bekanntlich in der katholischen Theologie eine große Rolle spielt.
Schon vor ihm hatten die Maler des Mittelalters verzweifelt versucht, den Teufel recht ordentlich schrecklich ins Bild zu setzen und dabei vor allen Dingen die Lachmuskeln gereizt.
Auch Dürer gelingt es nicht, den Teufel als großen Versucher darzustellen. Auf gar keinen Fall durfte der Teufel aussehen wie ein Mensch. Oft wurde ihm ein zweites Gesicht auf den Hintern geklatscht.
Für uns lesbar ist allenfalls der Pferdefuß, der ganz merkwürdig mitten zwischen die Beine des Ritterpferdes tritt und nach der Bildlogik durchaus die Verlängerung des Teufelsspießes darstellen könnte.
Eine glaubhafte Visualisierung des Teufels gelang erst Goethe mit der Gestalt des Mephisto als Mensch, zu dem reichlich Illustrationen produziert wurden. Für unser modernes Bewußtsein sieht Mephisto aus wie Gustav Gründgens in seiner Rolle, oder genauer gesagt: wie das entsprechende Foto, das nach dem Zweiten Weltkrieg anläßlich einer Aufführung des Faust, inszeniert von Gründgens mit ihm selbst in der Rolle des Mephisto, gemacht worden ist.
Gründgens selber hat pikanterweise eine zweifelhafte Rolle während des Dritten Reiches gespielt. Sein Schwager Klaus Mann hat diese Figur, die Zeit und die Verstrickungen in einem Schlüsselroman beschrieben, dem er den Titel Mephisto gab.
Das Pferd des Ritters schreitet wacker voran, während das Pferd von Freund Hein völlig entspannt ist und offenbar extrem versammelt, denn alle seine Hufe sind sehr nah beieinander. Die Ohren und das Auge zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Irgendwie irritierte mich die Darstellung, und ich suchte nach vergleichbaren Fotos.
Der Maler
Meistens sind die Pferdeaugen ganz schwarz, aber es gibt auch Pferde, die, wie die Montage zeigt, ähnlich wie ein Menschenauge eine Iris zeigen und das Weiße.
Ich war völlig verblüfft, wie gut Dürer offenbar beobachtet hatte. Bei den Ohren meine ich immer noch, daß die Darstellung nicht ganz nach der Natur gearbeitet ist, aber vermutlich werde ich unrecht haben und solche Pferdeohren durchaus existieren. Dürer war schließlich ein Meister im Hinschauen.
Witzig fand ich die Stellung der Pferdeohren beim Pferd des Todes und war mir sicher, daß unsere Cartoonistin Regina Zimmermann genauso mit den Ohren spielt: ich hatte recht.
Vermutlich wird Regina dieses Blatt von Dürer gar nicht kennen. Bei ihr trägt die Ohrenstellung zur Komik bei, bei Dürer offensichtlich auch.
Der Holzschnitt Ritter, Tod und Teufel wurde überall im Lande auf Märkten verkauft. Dazu schickte Dürer seine Frau hinaus in die Welt, aber er hatte auch Unterhändler, die auf Kommission arbeiteten. Die geschäftliche Seite hat Dürer sehr stark beschäftigt, er hat sich immer Sorgen um das Geld gemacht.
Darüber hinaus war er ein gebildeter Mann, ist zweimal nach Italien gefahren, genauer gesagt nach Venedig, hat aber seine Heimatstadt Nürnberg immer als ständigen Wohnsitz beibehalten. Sein Oevre ist nicht besonders groß, aber seine Arbeiten haben schon seine Zeitgenossen sehr beeindruckt. Er ist nie in Vergessenheit geraten wie Rembrandt.
Sein angesammeltes Wissen wollte er weitergeben in einer großen Abhandlung, die er noch auf seinem Todesbett bearbeitet hat. Viel Arbeit und Mühe hat er darauf verwandt, Gesetzmäßigkeiten der Schönheit zu entdecken, und mußte schließlich einsehen, daß sich Schönheit nicht in Formeln fassen läßt.
Er lebte in einer Zeit des Umbruchs, der Entdeckungen, dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. 500 Jahre später leben wir ebenfalls in unruhigen Zeiten und haben das Gefühl, daß Altes abstirbt und Neues sich ankündigt, ohne daß wir es recht erkennen können.
Der Holzschnitt Dürers fasziniert noch immer. Dürer hat übrigens nicht selbst den Holzstock bearbeitet. Er hat lediglich die Zeichnung geliefert. Geschnitten haben Spezialisten, streng nach der Vorzeichnung. Der Holzschnitt war also ausschließlich Mittel zur Reproduktion, anders als in der modernen Kunst, wo man einen Holzschnitt nicht mit einer Zeichnung verwechseln kann.
Die Vervielfältigung durch den Holzstock und den Druck ermöglichte es, dieses Blatt in größerer Stückzahl unter das Volk zu bringen. Mitte des 15. Jahrhunderts hatte Gutenberg die Druckerpresse erfunden. Diese wiederum ermöglichte es, Texte in größerer Zahl zu verbreiten, was wiederum die Voraussetzung für die Reformation war.
Leben und Rittertum
So greifen Technik und Erfindung, Kunst und Politik ineinander und befruchten sich gegenseitig. Alles ist im Wandel, nichts bleibt, wie es ist, was ist, muß vergehen. Der Tod spielt immer noch eine große Rolle, der Teufel so gut wie gar keine mehr, und auch Ritter sind eigentlich verschwunden.
Man darf aber Vieles nicht wörtlich nehmen, und so kann man das Leben selbst auch als einen Krieg auffassen, wobei der Einzelne ein Krieger ist, der in jeder Sekunde seines Lebens Entscheidungen fällen muß wie ein Krieger, also im Angesicht des Todes, in der vollen Verantwortung jeder Handlung.
Ein Krieger darf nicht vorschnell handeln, er muß gelassen den richtigen Moment abwarten. Diese Reife und Gelassenheit, die Fähigkeit zu blitzschneller, selbstvergessener Handlungsfähigkeit im richtigen Moment strahlt unser Ritter aus.
Im Osten haben sich Religion und Kriegertum im Dienste der Spiritualität vielfältig verbunden, z. B. in den auch bei uns beliebten Kampfsportarten oder in der Kunst des Bogenschießens.
Darüber wiederum gibt es ein kleines Büchlein eines deutschen Professors, der in Japan diese Kunst gelernt hat. Sehr empfehlenswerte Lektüre (Zen in der Kunst des Bogenschießens, Buch, Hörkassette - und ebenfalls empfehlenswert, aus der Zeit der Flower Power: Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten).
Auch beim Reiten kommt es darauf an, entspannt und hellwach im Hier und Jetzt zu sein, im vollen Bewußtsein des Risikos der Existenz, eingebunden in Welt und Natur. Man könnte deshalb sicher auch ein Buch schreiben mit dem Titel: Zen und die Kunst, ein Pferd zu reiten - aber das hat noch keiner gemacht.
Weitere Bilder von Dürer: CGFA, Artchive
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